Bußrituale?

Anamnetische Kultur Wie Vergangenes und Gegenwärtiges ins Gespräch gebracht werden können
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Jede lebendige Erinnerung, stellt der Kulturhistoriker Jan Assman fest, hat eine Verfallszeit von ungefähr 80 Jahren. Sie reicht eben so weit, wie es noch Zeitzeugen gibt, die das Erlebte verbürgen können. Dann beginnt eine zweite, rituell befestigte Phase der Erinnerungskultur, in der das Geschehene neu entdeckt, neu erzählt und neu bewertet wird. Im Hinblick auf den Holocaust, so der Literaturwissenschaftler Wolfgang Frühwald, befinden wir uns gerade im Übergang zu dieser zweiten Phase: Nur so sei die Flut der Erinnerungsliteratur, die Massenartikel aus Hollywood oder eben auch die "politischen Bußrituale" (Hermann Lübbe) des letzten Jahrzehnts zu erklären.

Die unmittelbar Betroffenen wiederum haben ein genuines Interesse daran, an diesen Erinn