Corona-Abzocke: Das Geschäft mit der Angst

Meinung Ulrike Baureithel ärgert sich: In der Krise ist es leicht, die Politik zum Schaden der Allgemeinheit unter Druck zu setzen. Deshalb fordert unsere Autorin mehr Transparenz und Kontrolle
Ausgabe 02/2023
Besonders lukrativ während der Covid-19-Pandemie: Das Geschäft mit der Angst
Besonders lukrativ während der Covid-19-Pandemie: Das Geschäft mit der Angst

Foto: Imago/Bihlmayerfotografie

Aus jeder Krise ist ein Geschäft zu schlagen, und das Geschäft mit der Angst ist besonders lukrativ. Die Versicherungswirtschaft hat daraus ein Modell gemacht, und auch die Gesundheitsbranche weiß aus der Verunsicherung der Menschen Gewinn zu ziehen. Es ist kein Zufall, dass sich im Regierungsviertel Lobbyisten-Verbände breitgemacht haben, um auf kürzestem Wege ihren Fuß in die Türen der Ministerialbürokratie zu schieben, ihren Stift anzulegen an Referentenentwürfen oder einschlägige Gutachten in Auftrag zu geben, die dann medial ventiliert werden. Das ist der übliche Ablauf. In der Krise allerdings ist mehr Dreistigkeit gefragt.

Als mit dem Ausbruch der Coronapandemie der damalige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) die „Bazooka“ hervorholte und Geld über das Land verteilte, standen auch die Goldschürfer bereit. Wobei von Schürfen gar keine Rede sein konnte, es genügte, als Anbieter knapper Güter in Erscheinung zu treten, so wie Harry Lime in dem Kult-Film Der dritte Mann einst das geklaute Penicillin verschob. In der ersten Phase hatten die Menschenfreunde dringend benötigte Atemschutzmasken im Bauchladen, die sie über gutwillige Politikerfreunde – in diesem Fall fanden sich hilfreiche Frauen und Mannen in der CSU – exklusiv und völlig überteuert an den damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verhökerten. Davon profitierten nicht nur die Unternehmen, sondern wohl auch Mandatsträger und Parteien mittels Geldrückflüssen. Ähnliches wiederholte sich mit der Schnelltest-Verordnung 2021, als dahinsiechende Nagelstudios und Läden in lukrative Testzentren umgewandelt wurden und diese ihre Aktivitäten zu exorbitanten Preisen und lange völlig unkontrolliert abrechnen konnten.

Im jüngsten Enthüllungskapitel spielen die Laborbetreiber die Rolle der Philanthropen. Der Rechercheverbund von WDR, NDR und SZ kam ihnen durch die Auswertung interner Ministeriumsunterlagen auf die Spur. Der Verein Akkreditierte Labore in der Medizin unterhielt offenbar einen direkten Draht zu Minister Spahn, bei dem er wiederholt durchsetzen konnte, die günstigeren zahn- und tiermedizinischen Labore sowie Apotheken von der Durchführung von PCR-Tests auszuschließen. Auf diese Weise und mit der Drohung, die PCR-Testung ganz einzustellen, hielten die Labore die Kosten lange Zeit überdurchschnittlich hoch. Selbst als die Krankenkassen im Juni 2020 den Erstattungsbetrag auf rund 39 Euro senkten, war der Bund bereit, weiterhin 43,56 Euro zu bezahlen.

Über die hier aufgelisteten coronabedingten Fälle hinaus mag man sich gar nicht vorstellen, wie viel Mittel ohne Not aus dem Gesundheitssystem fließen aufgrund von geduldeter Mangelwirtschaft oder „Lieferengpässen“, wie wir sie gerade bei Fiebersäften für Kinder erlebt haben. Man muss sich gar nicht, wie dieser Tage der FDP-Vorsitzende Christian Lindner mit seinem Grußwort für die ihn kreditierende Badische Beamtenbank, einem „Anfangsverdacht“ aussetzen. Es genügen schon die legalen Lobby-Pfade und Marktregeln, die die Geldströme in die Kanäle von Finanzinvestoren lenken, die die Gesundheit für sich entdeckt haben.

Die Lobbyisten seien dieses Mal draußen geblieben, versprach Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit großer Geste, als er die „Revolution“ in der Krankenhausversorgung vorstellte. Ach ja? Bei ihm erledigen einschlägige „Expert:innen“ als Sachwalter von Klinikkahlschlag und Privatisierung dieses Geschäft.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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