Corona: Vom Ende der Isolationspflicht bis zum Anfang einer neuen Mutante

Meinung Tschüss Isolationspflicht, Adieu Impfpflicht: Einige Länder machen Schluss mit der Vorschrift, dass Corona-Infizierte sich isolieren müssen. Von einem bundesweiten Ausstieg aus den Pandemie-Maßnahmen will Karl Lauterbach nichts wissen
Ausgabe 47/2022
Ist Corona bald Geschichte oder drehen wir womöglich bald nochmal eine Runde auf dem Corona-Karussel?
Ist Corona bald Geschichte oder drehen wir womöglich bald nochmal eine Runde auf dem Corona-Karussel?

Foto: Christof Stache/Getty Images

Es kam, wie es kommen musste: Die Republik präsentiert sich in Sachen Corona wieder einmal im Patchworklook. Nachdem Bayern und Baden-Württemberg als erste Bundesländer die Isolationspflicht für Covid-19-Infizierte abgeschafft hatten, folgte dann Schleswig-Holstein, in Hessen wurde zuletzt darüber verhandelt. Ausgenommen sind Beschäftigte in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen.

Wer also in Rheinland-Pfalz wohnt und dort arbeitet, muss als Infizierter, selbst symptomfrei, zu Hause bleiben. Pendelt er aber ins benachbarte Baden, darf er, mit Maske versehen, an seinem Arbeitsplatz erscheinen, erklärt der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD). Für einen Pendler aus Schleswig-Holstein, der in Hamburg arbeitet, gilt dies allerdings nicht, er unterliegt der Isolationspflicht. Das verstehe, wer will.

Mit der unterschiedlichen Infektionslage in den Ländern ist die Aussetzung der Isolationspflicht jedenfalls nicht zu erklären, sondern höchstens mit dem Profilierungsstreben der Landesregierungen, die unter Rückgriff auf das seit 1. Oktober geltende Infektionsschutzgesetz zeigen wollen, wer Herr im Hause ist. Man sei auf dem Weg von der Pandemie zur Endemie, spielte sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als Chef-Epidemiologe auf. Doch nur das offiziell erklärte Ende der Pandemie, so der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, würde es rechtfertigen, die Isolationspflicht und andere Maßnahmen aufzuheben – und zwar bundesweit. Auch der Städte- und Gemeindebund fordert bundeseinheitliche Regeln.

Davon ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dem diese Erklärung offiziell zustünde und der den Vorstoß der Länder scharf kritisiert, jedoch weit entfernt. Er fürchtet, dass mit einer neuen Virusvariante eine weitere Winterwelle bevorsteht. Noch dominiert in Deutschland Omikron BA.5, doch in anderen Ländern wie in den USA verbreitet sich der erheblich infektiösere Mutant BQ.1.1 bereits rasant.

Die Wissenschaftler:innen dagegen sind sich uneins, einige halten die Aufhebung der Isolationspflicht für „akzeptabel“, andere wie die Virologin Sandra Ciesek warnen davor, dass das Virus in der Bevölkerung nun als harmlos betrachtet werde. Ähnlich sieht es ihr Kollege Martin Stürmer, der das Ende der Isolationspflicht für verfrüht hält.

Dass die Politik hierbei weniger medizinischer Expertise als politischen Absichten folgt, zeigt auch die Haltung der FDP, deren gesundheitspolitischer Sprecher Andrew Ullmann, wen wundert’s, das sofortige Ende der Isolationspflicht fordert und dies unter anderem damit begründet, dass deren Überprüfung durch die Behörden ohnehin nicht mehr funktioniere.

Wie war das mit Ausbau und Unterstützung der Gesundheitsämter? Der in Stuttgart amtierende Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) bekundet, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, für Infektionskrankheiten sei der Staat zuständig, das seien nur die „verantwortungsvollen Bürger und Bürgerinnen“. Pflichtumkehr nennt man das.

Offenbar hält der Staat nun sogar die Beschäftigten in Kliniken und Pflegeeinrichtungen für derart verantwortungsbereit. Zum Jahresende entlässt er sie aus der diskrimininierenden einrichtungsbezogenen Impfplicht. Das war auch wirklich Zeit.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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