Da geht noch was

Mitmachpartei Der SPD-Mitgliederentscheid hat auch bei anderen Parteien etwas Positives bewirkt: Immer mehr Mitglieder auch bei Union und FDP wollen mitbestimmen
Ausgabe 50/2013

Jung ist eine relative Kategorie. Beim FDP-Parteitag am Wochenende saßen ein paar Beobachter auf den Stühlen der Jungliberalen, die der Bologna-Universität entschieden entwachsen waren. Die Jusos, die zur gleichen Zeit der Mutterpartei die Harke zeigten, geben sich von jeher als Berufsjugendliche. Und die jungen Wilden von der Union, die Merkel gerade mit dem grellgrünen Zaunpfahl winken? Die meisten kratzen bereits am Felsvorsprung zur Midlife-Crisis.

Lassen wir also die proklamierte Jugend einmal beiseite und kommen zur Substanz. Da ist einiges los innerhalb der Parteien. Der SPD-Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag mit der Union hat Verwirbelungen ausgelöst, die man in der politischen Mitte und rechts davon bislang nicht kannte – und deren Protagonisten man, von Angela Merkel geschurigelt und stillgestellt, längst wieder vergessen hatte.

Alexander Hahn von den Jungliberalen erhielt am vergangenen Samstag beim FDP-Bundesparteitag heftigen Applaus, als er eine demokratische Partei mit neuem Führungsstil einforderte. Der Hinweis, das habe man doch schon immer so gemacht, dürfe kein Argument mehr für die Zukunft sein. Partizipation war das Schlagwort des Tages, und manches Gesicht im Präsidium wirkte wie versteinert.

Nachgeschoben beim kleinen Parteitag der Union präsentierten dann die 50 Jungpolitiker ihr Acht-Punkte-Manifest CDU 2017. Die Unterzeichner verwiesen darauf, dass ein Drittel der bis zu 34-Jährigen die Union gewählt habe, ein Zeichen dafür, dass der Zeitgeist konservativ gepolt sei. Um sie zu halten, müsse man in Dialog treten und Debatten kampagnenartig forcieren. Ähnliches war auch schon vom neu gewählten FDP-Vorsitzenden Christian Lindner zu hören, und es erinnert eher an Attac als an die behäbige Union.

Natürlich geht es den Verfassern des Manifestes vor allem darum mitzumischen, Profil zu zeigen und möglichst in verantwortliche Positionen in Partei und Fraktion zu kommen. Aber eben nicht von Merkels Gnaden, sondern mittels einer demokratischen und nun wörtlich zu verstehenden: Mitmachpartei. Das lässt einen aufhorchen. Denn bisher war die Union vor allem eine Stillhaltepartei. So gesehen, hat der SPD-Mitgliederentscheid sogar für die Konkurrenz offenbar etwas Positives bewirkt. In der Union, in der FDP, überall das gleiche Bild: Immer weniger Mitglieder sind bereit, die Dinge einfach nur abzunicken.

Das wäre ja alles prima, wenn es in der CDU nicht dieses Ressentiment gegen die Älteren gäbe, gegen die Rentner, für die, so der Tenor, die Große Koalition nun Politik mache, statt „wirtschaftliche Dynamik, Kreativität und Innovation zu entfalten“. Diesen Sound hatten wir schon mal vor einigen Jahren, als Philipp Mißfelder ein Operationsverbot für Hüftgelenke bei alten Menschen propagierte. Damals wie heute sind es fast nur Männer, die sich um ihre Rente sorgen. Unter den 50 CDU-Rebellen sind gerade mal sechs Frauen.

Am Ende blieb dann doch nur ein angekündigter Vatermord. Und die omnipotenten Väter sind ohnehin abhandengekommen. Rösler? Ein Ritter von so trauriger Gestalt. Und Angela Merkel? Mit dem Muttermord tun sich die Söhne bekanntlich schwer. So nickten sie ab, was man ihnen vorsetzte.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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