Erziehungsgeld Sollen Frauen vom Staat dafür bezahlt werden, wenn sie ihren Männern das Essen kochen? Und wenn ja, was heißt das für das Langzeitprojekt "Emanzipation"?
Der Streit um die Kinderbetreuung ist ideologisch verhärtet. Dabei sprechen die Tatsachen für sich. Das Interesse am Betreuungsgeld ist – vorsichtig gesagt – überschaubar. Selbst wenn man die üblichen Anlaufschwierigkeiten berücksichtigt. Dagegen warten viele Eltern immer noch auf einen Kindergarten-Platz für ihren Nachwuchs, obwohl das Angebot massiv ausgebaut wurde und obwohl es inzwischen einen geltenden Rechtsanspruch gibt. Vielleicht hängt der Umstand, dass kaum einer das Betreuungsgeld haben möchte, auch mit seiner Höhe zusammen: 100 Euro sind ein schlechter Witz. Keine Frau würde dafür ihren Job aufgeben. Aber wie wäre es, wenn ein Erziehungsgehalt ausgesetzt würde, das bedeutend höher läge? Wenn
nn es sich, zumindest für Mütter oder Väter im unteren oder mittleren Einkommenssegment, finanziell lohnen würde, ihre Kinder zu Hause zu betreuen, statt sich in einem anstrengenden, wenig attraktiven Job aufzureiben?100 Euro sind lächerlichMit diesem Vorschlag landete Christa Müller 2007 schon einmal auf dem Bauch. Damals war sie noch mit Oskar Lafontaine verheiratet, der sich Jahre zuvor angeblich wegen seines kleinen Sohnes aus der Politik zurückgezogen hatte, um den Hausmann und Winzer zu geben. Ihr Vorschlag, das als „Herdprämie“ inkriminierte Betreuungsgeld für Kleinkinder auf 1.600 Euro zu erhöhen, scheuchte nicht nur die Linkspartei auf, sondern erntete republikweit Häme. Nun hat die Volkswirtin, die heute den überschaubaren Posten der familienpolitischen Sprecherin der saarländischen Linken ausübt, die Idee im Berliner Tagesspiegel noch einmal in die Öffentlichkeit getragen.Die 100 Euro, mit denen man zu Hause Erziehende abspeisen will, findet auch Christa Müller „lächerlich“. Sie plädiert dafür, das Geld, mit dem die Kitas subventioniert werden, unmittelbar den Eltern zur Verfügung zu stellen, die dann entscheiden könnten, „ob sie damit einen Krippenplatz bezahlen wollen oder sich selbst.“ Sie glaubt nämlich, dass die meisten Frauen gar keine Lust haben, schnell wieder in ihren Job zurückzukehren, sondern sich dazu gedrängt fühlen, um zum Familieneinkommen beizutragen. Und weiterhin sagt sie: „Kindererziehung ist gesellschaftlich wichtige Arbeit, die angemessen bezahlt werden muss.“Vom Einverständnis des Mannes abhängigWer wollte das wohl bestreiten? Diese luzide Einsicht hatte erstmals Käthe Schirrmacher, die 1905 dekretierte: „Die Hausfrau und Mutter leistet häusliche Berufsarbeit für ihre eigene Rechnung, am eigenen Herd und für die Ihren.“ Ein solches Statement war in einer Zeit, als Frauenerwerbsarbeit alles andere als selbstverständlich war und noch über 50 Jahre lang vom Einverständnis des Ehemannes abhängig sein würde, absolut revolutionär. Mit ihrem Text legte die Danziger Kaufmannstochter die Grundlage für eine Debatte, die die Frauenbewegung in der Weimarer Republik und die Neue Frauenbewegung in den siebziger Jahren umtreiben und auch spalten sollte. Sollen Frauen Geld für ihre häusliche Arbeit fordern? Wird eine volkswirtschaftlich unabdingbare, aber nicht in Erscheinung tretende Tätigkeit in ihrem Ansehen dadurch erhöht? Und was würde das für die durchaus auf Familie ausgerichteten Männerlöhne bedeuten?Noch einmal losgetreten wurde die Lohn-für-Hausarbeit-Debatte 1972 im aufgewühlten Italien. In einem berühmt gewordenen Aufsatz von Mariarosa Dalla Costa ging es um den vom Ehemann angeeigneten „Hausfrauen-Mehrwert“ und den „Mythos der Befreiung durch Arbeit“. Ihr Aufruf zum Hausfrauenstreik fand in Italien Widerhall. Auch in Deutschland stritten die bewegten Frauen. Der geschlechterpolitische Sprengkern – ist Hausarbeit überhaupt produktiv? Und ist Erwerbstätigkeit andererseits emanzipativ? – trieb schillernde Blüten bis hin zum grünen Müttermanifest von 1987, das die „bedrohlichen Konsequenzen“ des „Raubbaus an der gesellschaftlichen Mütterlichkeit“ aufscheinen ließ. Meist ging es um Sichtbarmachung und Aufwertung einer im Verborgenen geleisteten Arbeit, die Forderung nach Entgelt war eher Mittel zum Zweck.Von der Frauenbewegung abgelehntWürde man die von Müller in die Arena geworfenen 1.600 Euro einmal ernst nehmen, würde das weit über dem heute verhandelten Grundeinkommen liegen. Die viel beschworene Lidl-Kassiererin würde sich das wohl überlegen. Und vielleicht würde sich sogar die professionelle Erzieherin, die netto auch nicht viel mehr nach Hause trägt, künftig nur ihren eigenen Kinder widmen.Wäre ein Erziehungsgeld also nicht der ultimative Ausweg aus der männlichen Abhängigkeit und genau die eigenständige Absicherung von Frauen – auch im Alter –, mit der aktuell so manches Parteiprogramm hausieren geht? Man muss schon ein bisschen genauer hinschauen, auf die Begründungszusammenhänge, um zu verstehen, welche Risiken das Hausfrauengehalt birgt – einmal davon abgesehen, dass es vom größeren Teil der Frauenbewegung immer abgelehnt worden ist.Die Wirtschaft braucht FachkräfteBei den revoltierenden jungen Frauen der siebziger Jahre – zumindest bei deren besser ausgebildetem Teil, denn Arbeiterinnen malochten sowieso – handelte es sich um die erste Generation, die sich ihren Platz auf dem Arbeitsmarkt erkämpft hatte. Es war ein Akt der Emanzipation, sich ohne Erlaubnis neben den Männern zu behaupten und eigenen Lohn zu erhalten. Der war allerdings von Anfang an niedriger und ist es bis heute geblieben. Vor allem aber ist aus der Freiheit eine Zumutung geworden: Es gibt zunehmend eine Arbeitsnötigung für Frauen, die „neoliberale Pflicht zur Berufstätigkeit“, wie es die Soziologin Eva Senghaas-Knobloch vor einiger Zeit genannt hat. Die Wirtschaft braucht Fachkräfte und keine Hausfrauen. Aber nicht alle Frauen wollen sich von der Wirtschaft so einfach in die Pflicht nehmen lassen.Das Recht und die Möglichkeit, berufstätig zu sein einerseits und der Zwang, Geld zu verdienen andererseits, wird verstärkt noch durch die Veränderung der Familienstrukturen. Es gehört heute fast schon zur Normalität, dass Frauen der Mann abhandenkommt, sie mit den Kindern (und nach dem neuen Scheidungsrecht auch ohne eigenen Unterhalt) zurückbleiben, darüber hinaus vielleicht sogar noch pflegebedürftige Eltern versorgen müssen. Das, was einmal „Dazuverdienst“ war, bildet dann plötzlich den Hauptteil der Familieneinkünfte. Sattsam bekannt, dass die Betroffenen auch noch in die Altersarmut galoppieren.Aber Existenzsicherung durch ein Erziehungsgehalt? Eine staatliche Prämie dafür, dass ein Elternteil Karriere macht, während der andere als „Kümmerer“ zu Hause bleibt und alleinerziehend ganz abgekoppelt wird? Es mag ja sein, dass ein solcher Geldsegen das Leben mancher betroffenen Frau – und nur um Frauen scheint es ja auch beim Erziehungsgehalt zu gehen – erleichtern würde. Aber zu welchem geschlechterpolitischen Preis? Ganz abgesehen von den damit verbundenen Umverteilungseffekten für die Unternehmen, wenn die Erwerbstätigen im Rahmen einer Familienversicherung oder die Steuerzahler nun die Familie mitfinanzieren.Arme Kinder unerwünschtWobei noch gar nicht ausgemacht ist, ob die Wirtschaft an einem Hausfrauengehalt wirklich Interesse haben kann. Denn die bemüht sich, wie gesagt, derzeit ja eher darum, die gut ausgebildeten weiblichen Arbeitskräfte zu mobilisieren. Und umgekehrt birgt das Erziehungsgehalt gerade für beruflich ambitionierte Frauen ein hohes Risiko.Es gibt aber noch einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Aspekt. Die Politik macht seit geraumer Zeit keinen Hehl mehr daraus, dass gar nicht alle Kinder in dieser Republik erwünscht sind, das ist spätestens seit dem vorenthaltenen Erziehungsgeld für Hartz-IV-Empfänger deutlich geworden. Thilo Sarrazin steht gar nicht so alleine. Das Lockangebot namens Erziehungsgehalt würde sich vor allem also an diejenigen wenden, um die von verschiedenen Seiten konkurriert wird, an die Frauen der Mittelschicht. Und die sind tatsächlich zerrissen zwischen dem Druck, ihren Job gut zu machen, zu Hause fürs Gefühl zu sorgen und den gestiegenen Anforderungen zu genügen, aus ihren Kindern die Aufsteiger von morgen zu formen. Manche ist überfordert, manche erschöpft – und manche könnte auch sagen: Erziehungsgehalt? Ja, danke!Dabei würde es vielen Frauen schon genügen, wenn sie so flexibel sein könnten, um die Kita-Ferien aufzufangen, wenn sie abends keine Termine aufgedrückt bekommen würden oder, na ja, wenn der Herr der Schöpfung emanzipiert in Küche und Kinderzimmer anpackte. Ob er damit die häuslichen Dienste aufwertet, steht dahin. Hausarbeit und Kindererziehung erfordern jedenfalls Zeit, das gilt für Frauen wie für Männer. Sie muss bereitgestellt werden, von den Unternehmen, nicht vom Staat.
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