In seltener Einmütigkeit feierten vergangene Woche Spitzenpolitiker des bürgerlichen Lagers - und aus durchsichtiger Interessenlage die CDU allen anderen voran - den Rausschmiss der Republikaner aus dem baden-württembergischen Landtag; als am selben Wochenende bei den Wiener Kommunalwahlen die FPÖ des Jörg Haider einen Denkzettel erhielt, schien die Welt wieder gerichtet auf dem soliden Boden der jeweiligen Verfassung, als seien die nach rechts Abgedrifteten über Nacht von der freiheitlich-demokratischen Muse geküsst worden.
Schön wäre es denn, wenn sich die Einstellungen so schnell änderten wie die Wechselkreuze auf den Wahlzetteln. Doch wenn auf der traditionell tiefbraunen Baar (wo man des nachts schon mal über das Horst-Wessel-Lied stolpert) oder in Pforzheim (wo Ute Vogt kandidierte und die Reps, die 1996 noch satte 13,5 Prozent einfuhren, fast zehn Prozent einbüßten) -, also wenn man sich von Nordwürttemberg bis nach Oberschwaben wieder auf die Segnungen des Teufels besann, dann ist nichts über die Denkhorizonte und Motivationen ausgesagt, die diesen braunen Rand vorübergehend eingemeinden.
Bei den sing- und schlagfreudigen Barden denkt man wie selbstverständlich an übrig gebliebene Alt-Nazis oder Jungmänner-Rabauken, die auf diese Weise ihre Ressentiments pflegen oder überschüssige Energie loswerden. Dass der rechte Rand auch von Frauen bevölkert sein könnte und, mehr noch, dass eben dieses Spannungsverhältnis zwischen Männern und Frauen in den rechten Fraktionen selbst schon wieder diskurs- und politikfähig sein könnte, ist in den Talkrunden des Öffentlich-Rechtlichen kein Thema. Vielleicht und vor allem auch deshalb, weil "gender trouble" und alles, was darunter firmiert, ein Abo hat auf Fortschrittlichkeit - wo also sollten sich die Rechten da einklinken?
Dabei könnte, so Mitveranstalterin Gaby Schambach beim 5. Geschlechterdemokratischen Dialog der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin, der Blick auf die "Konstruktion von Weiblichkeit und Männlichkeit" Aufschluss darüber geben, warum rechtsradikale Gruppierungen (auch) für junge Frauen attraktiv sind. Tatsächlich ist das rechtsextreme Personal immer noch vorwiegend männlich. Doch die geschlechtsspezifischen Anteile an den rechten Repräsentationsformen folgen durchaus nicht dem gängigen, in den Medien verbreiteten Bild.
Zwar machte der Frauenanteil an rechten Gewalttaten, so die Göttinger Politologin Renate Bitzan, die seit zehn Jahren zum Thema forscht, bislang nur 3 bis 5 Prozent aus - doch mit sichtlich steigender Tendenz: neuere Forschungen gehen bereits von zehn Prozent aus. Als rechte Parteimitglieder treten Frauen mit bis zu 20 Prozent in Erscheinung, und das entspricht dem üblichen Anteil in anderen Parteien. In Parteien und sympathisierenden Organisationen findet man Frauen dann schon mit bis zu einem Drittel der Gefolgschaft - und ein Drittel stellt auch die rechte Wählerschaft: Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg 1996 gaben rund 145.300 Frauen den Reps ihre Stimme, knapp 36 Prozent, und dieser Trend setzte sich wohl auch bei diesen Wahlen fort. Rechte Einstellungen hingegen, das zeigen entsprechende Untersuchungen, werden von Männern und Frauen in gleichen Teilen vertreten.
Dabei sind der Blondzopf und die gebärfreudige "Mutti" am heimischen Herd auch bei den Rechten längst aus der Mode gekommen. Von den Lebensentwürfen, meint Bitzan, unterschieden sich die meisten rechtsextrem orientierten Mädchen und Frauen kaum von ihren Geschlechtsgenossinnen, die sich bemühen, Beruf und Familie zu synchronisieren. Dieses egalitär konzipierte Selbstbild manifestiert sich in einschlägigen, fast "feministisch" anmutenden Veröffentlichungen (siehe Kasten) ebenso wie in der Tatsache, dass die Parteigängerinnen oftmals eben keinen männlichen "Türöffner" haben, sondern durch die Freundin oder Bekannte in den Umkreis der Rechtsradikalen geraten. Dort sind sie nicht nur die klassische "Mitläuferin", als die sie in den Medien oft auftauchen, sondern sie machen sich als Expertin am Computer oder als Organisationstalent - wenn sie nicht gar zur Funktionärin aufsteigen - unentbehrlich.
Als "Platzhalterinnen" haben sich Frauen auch in der österreichischen FPÖ profiliert, wie die derzeitige Stellvertretung der Haider´schen Position durch Susanne Riess-Passer zeigt. Über das hinlänglich bekannte Klischee des Jörg Haider als viriler Sportsmann und Erfolgs-Macho kam die Analyse des Gender-Forschers Oliver Geden, der sozusagen den "maskulinen" Part der Rechten unter die Lupe nahm, allerdings kaum hinaus, was weniger dem Referenten als der Tatsache anzulasten ist, dass Männer und Männlichkeit in rechtsextremen Parteien - so sie sich nicht unmittelbar auf Gewaltbereitschaft beziehen - in der Forschung kaum thematisiert werden.
Dass "hegemoniale Männlichkeit" (Robert Connell) - also die männliche Dominanz innerhalb von Männerzusammenhängen - auch in der FPÖ eine wichtige Rolle spielt, ist kaum verwunderlich, und in der Praxis zeitigt sie eigenartige Blüten wie den Aufstieg des Tierarztes Haupt als Anwalt für Männerangelegenheiten (vgl. Verena Fabris in Freitag 11/2001). Hierin drückt sich der Versuch aus, eine offensichtlich stark verunsicherte Männlichkeit zurückzugewinnen und zu stabilisieren. Dass sich die politische Praxis an den männlichen Lebensentwürfen orientiert und Frauenpolitik nur in Form von Familienpolitik in Erscheinung tritt, ist deshalb nur konsequent.
Interessant jedoch ist, dass familienpolitische Maßnahmen wie der von Haider avisierte sogenannte "Kinderscheck" - der nicht, wie in Deutschland das Erziehungsgeld, daran gebunden wird, dass ein Elternteil vorübergehend seine Vollerwerbstätigkeit aufgibt - von Männern und Frauen ganz unterschiedlich wahrgenommen wird. Während Frauen hierdurch ihre Wahlfreiheit zwischen Beruf und Familie bestätigt sehen, hoffen Männer, dass Frauen sich nun ausschließlich auf ihre Familienaufgaben konzentrieren.
Dies verweist auf ein Phänomen, das auch in deutschen rechtsextremen Zusammenhängen deutlich wird: Das Frauenbild in rechtsradikalen Parteien ist auffällig heterogen und letztlich nicht das Motiv, warum sich Frauen in ihnen organisieren. Als Hauptgrund werden "deutsche Interessen" und die "Ausländerfrage" genannt. Neben einem eher egalitär ausgerichteten Frauenbild, das gleiche Fähigkeiten und Aufgaben für Frauen und Männer unterstellt - so jedenfalls das Ergebnis von Bitzans Recherchen -, prononcieren manche Gruppierungen auch die Differenz zwischen den Geschlechtern und das Leitbild der "heldischen Mutter", die zur "Reinerhaltung des Blutes" ausersehen ist. Diese "positive Fähigkeit" zur "Arterhaltung", so Bitzan, sei allerdings auch für jenes rechtsradikale weibliche Klientel attraktiv, das sich ansonsten eher antisexistisch und egalitär versteht.
Die spannende Frage, auf welche Weise die Geschlechterdifferenz von rechten Parteien im politischen Diskurs eingesetzt und ausgespielt wird, blieb im Rahmen der Veranstaltung eher unterbelichtet, nicht zuletzt deshalb, weil - mit Ausnahme der FPÖ - unklar blieb, von welchen Gruppen und Parteien eigentlich die Rede ist. Ein prominentes Beispiel politischer Instrumentalisierung ist Haiders Kampagne gegen Kindesmissbrauch. Und offenbar reagieren auch rechtsorientierte Frauen gegenüber sexistischer "Anmache" allergisch, selbst wenn diese dann möglichst auf "fremde" Männer (Ausländer ect.) projiziert wird. Eben diese theoretische und praktische Koppelung von Antisexismus und Rassismus hält Bitzan für brisant: Die jungen Frauen, die in die rechte Szene eintreten, geben ihren Anspruch auf Gleichberechtigung nicht einfach auf, und er wird am rechten Rand offenbar auch bedient. Hier auf einen "Abschreckungseffekt" zu hoffen, so Bitzan, sei der Situation jedenfalls nicht angemessen: Der deutsche Blondschopf gibt sich emanzipiert.
Zum Weiterlesen: Renate Bitzan, Selbstbilder rechter Fauen zwischen Antisexismus und völkischem Denken, edition discord, Tübingen 2000, 48,- DM
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.