Mit einem zweiteiligen original Burkini Slim Fit und einer etwas verhüllenderen Variante, dem Modest Fit, wirbt eine in Berlin ansässige Firma für anständige Schwimmbekleidung für Musliminnen. „Schulsport ohne Sorgen“ heißt es in dem Prospekt, und das Paket wird ausdrücklich vom Bayerischen Fußballverband empfohlen. Wenn das keine Kulturrevolution ist.
Tatsächlich hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das muslimische Schülerinnen auffordert, in einem Burkini am Schwimmunterricht teilzunehmen, dem Kleidungsstück zu neuer Bekanntheit verholfen. Dem Urteil zufolge sei muslimischen Mädchen auch die „koedukative Schwimmunterweisung“ zuzumuten. Der Anblick von Jungen in leichter Bekleidung wäre im Alltag ohnehin allgegenwärtig.
Die Leipziger Richter wollen das Urteil als Signal gegen entstehende Parallelgesellschaften verstanden wissen. Aber so undurchlässig, wie es scheint, existieren christliche und muslimische Communitys gar nicht nebeneinander – und das lässt sich paradoxerweise in einem Bereich beobachten, der den abgedichteten religiösen Gemeinschaften fremd und feindlich gegenüberzustehen scheint: der Mode.
Auf dem Catwalk angekommen
„Modest Fashion“, also eine mit religiösen Regeln übereinstimmende Mode, hat mittlerweile den Catwalk erobert und ist in den Online-Shops der Welt erhältlich: Was da an kunstvoll geknüpften Kopftüchern, an schicken Ganzkörperanzügen und eben Burkinis angeboten wird, ist alles andere als moderesistent. Die „anständigen“ Klamotten mögen zwar manches verhüllen, doch sie enthüllen auch – wie der begrifflich aus Burka und Bikini zusammengesetzte Burkini – den kulturellen Austausch zwischen einer auf steten Wechsel angewiesenen Mode und den scheinbar unverrückbaren Religionen. Die gestylte, in einer schicken Burka Motorrad fahrende junge Frau ist vielleicht eine größere Herausforderung als ein in unauffälliger westlicher Kleidung daherkommendes Mädchen.
Und es gibt die umgekehrte Entwicklung: Als sich die britische Fernsehköchin Nigella Lawson für einen Modest-Fashion-Blog ablichten ließ, wurde viel darüber diskutiert, ob sie einfach für ein praktisches Bekleidungsstück warb oder ein politisches Statement abgab. Vielleicht wandert so manches „modeste Kleidungsstück“ wie einst das Pali-Tuch in abge-wandelter Form noch in die westliche Mode ein. Mit letzterem wird heutzutage kein politisches Signal mehr verbunden. Möglicherweise gilt auch der Burkini irgendwann nur noch als schick.
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