Zu knappes Personal? Unzureichende Apparate-Ausstattung? Unterdurchschnittliche Qualität? Kein Problem: Klappe zu, Affe tot. So ähnlich kommt eine im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellte Studie daher, die den seit Jahrzehnten andauernden Krankenhaus-Kahlschlag nun final erledigen will. Von den noch knapp 1.400 verbliebenen Kliniken in Deutschland sollen lediglich 600 erhalten bleiben, Hightech-Medizin in hochspezialisierten Zentren, die, so die Autoren vom Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung, durch Bündelung von Kompetenz und Ausstattung eine sichere Versorgung garantieren. Zum Vergleich: 1991 sorgten insbesondere in der Fläche noch 2.411 Krankenhäuser für das Wohl der Patienten.
Die Argumente der Autoren, unter ihnen bekennende Rationalisierungsspezialisten, klingen plausibel: Wo Ärzte über leistungsfähiges medizinisches Gerät, viel Erfahrung durch hohe OP-Zahlen und geschultes Pflegepersonal verfügen, ist die Qualität der Leistung höher. Und wo Kliniken unter dem Druck des Fallpauschalen-Systems (DRG) auch Eingriffe vornehmen, für die sie eigentlich gar nicht spezialisiert sind, kommt es zu Zwischenfällen. Das belegen Zahlen. Der Umkehrschluss, dass kleine Häuser generell schlechter arbeiten als leistungsstarke Zentren, wäre indessen fatal.
Die Argumentation folgt einer Logik, die das Pferd von hinten aufzäumt. Statt nach der Genese des Zustands zu fragen und ihm abzuhelfen – jahrzehntelanger dramatischer Investitionsstau, Personalkürzungen, verfehlte Lohnpolitik, Einführung von DRGs und vieles mehr –, nimmt man diesen als gegeben an und reagiert mit einer Radikalkur – pikanterweise an ebendem Tag, an dem der Gesundheitsminister auf Pflegekräfte-Werbetour im Kosovo ist. Die werden zwar den Pflegenotstand hierzulande nicht beheben, doch der Versuch setzt zumindest ein Zeichen.
Das Zeichen, das die Studienautoren setzen, ist ein anderes: räumliche und fachliche Konzentration und Abhängen der ländlichen, ohnehin schon unterversorgten Gebiete. Doch ein Krankenhaus ist viel mehr als ein technisches Versorgungszentrum. Es steht für Grundversorgung und gefühlsmäßige Sicherheit. Nicht jedes Krankenhaus muss „Pankreas“ können, aber es muss im Notfall schnell erreichbar sein.
Kommentare 22
Das war auch nicht anders von Bertelsmann zu erwarten.
Aber in der Mitte könnte die Verbesserung liegen, indem über Deutschland ein Raster gelegt und bestimmt wird, dass jeder Patient in einer Mindestzeit mit Notarztwagen ein Krankenhaus erreichen muss. Das kann dann bedeuten, dass das eine oder andere Krankenhaus einfach nicht die Patientenzahlen erreichen kann, um nach medizinischen Gesichtspunkten eine Rundumversorgung vorzuhalten.
Wie ließe sich das beheben? Vielleicht so, dass in bestimmten Regionen Notfallzentren für die Erstversorgung eingerichtet werden, also Einrichtungen unterhalb des Levels eines Krankenhauses und dazu würde dann ein Transportsystem eingerichtet, dass über Hubschrauber in die geeigneten Spezialkliniken überführt.
Das Ziel sollte also nicht die weitere Reduzierung ("Kahlschlag") der Krankenhäuser sein, sondern die nach qualitativen Gesichtspunkten angepassten Strukturen mit den erforderlichen Investitionen und Verbesserungen für das Krankenhauspersonal.
Zudem muss dem Wahn der Privatisierungen Einhalt geboten werden! Die Ökonomie darf nicht zum bestimmenden Faktor des Krankenhaussektors werden, wie man es bereits im Bereich der Medikamente der Pharmaindustrie ermöglicht hat.
»Die Bertelsmann Stiftung ist dafür bekannt, unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Objektivität Studien zu erstellen, die stets zu dem Ergebnis kommen, dass staatliche oder öffentliche Aufgaben im Sinne der Allgemeinheit privatisiert werden sollten. So kann es auch nicht wirklich verwundern, dass eine aktuelle Studie dieser Stiftung mit fragwürdigen Mitteln den radikalen Abbau meist öffentlicher Kliniken empfiehlt. Nur 600 der heute 1.600 Krankenhäuser sollen diesen Kahlschlag überleben…
Für ihre aktuelle Krankenhausstudie hat das IGES Institut im Auftrag der Bertelsmann Stiftung alle Register gezogen, um mit vermeintlich neutralen Berechnungen zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Dies fängt bereits beim Untersuchungsraum an. So haben die Macher der Studie die Konzentration und Zentralisierung der Krankenhauslandschaft am konkreten Beispiel der Metropolregion Köln-Leverkusen untersucht – einer Region mit 2,2 Millionen Einwohnern, von denen jedoch die Hälfte in der Stadt Köln lebt und in der es keinen nennenswerten „ländlichen Raum“ gibt, in dem die Entfernung zur nächsten größeren Stadt problematisch ist. So sind natürlich auch die „Zielmodelle“ für die Erreichbarkeit der Kliniken einzuhalten. Im ländlichen Raum der großen Flächenländer sind diese Vorgaben jedoch bereits heute in der Praxis kaum einzuhalten und es ist auch nicht ersichtlich, wie man eine flächendeckende Grundversorgung gewährleisten will, wenn man in der Fläche das Versorgungsnetz ausdünnt.«
Naja, das deutsche Gesundheitssystem ist im Vergleich zur Leistung zu teuer. Man könnte die gleiche Leistung 20% günstiger haben oder oder entsprechend mehr Leistung für‘s gleiche Geld. Das liegt im wesentlichen daran, dass man Einsparmöglichkeiten in der Verwaltung und Beschaffung nicht nutzt. In der heutigen Zeit einzelne Krankenhäuser zu betreiben ist ökonomischer Blödsinn. Krankenhausketten oder zumindest Einkausverbünde wären deutlich sinnvoller. Ein einzelnes Krankenhaus hat überhaupt keine Einkaufsmacht gegen die Lieferanten (Gerätehersteller, Pharmafirmen). Das jedes Krankenhaus heute noch seine eigene Buchhaltung hat, ist ebenfalls ein Witz. Wahrscheinlich würden ein paar Servicecenter ausreichen. Die erzielten Einsparungen könnte zumindest teilweise für höhere Gehälter des Pflegepersonals ausgeben. In Deutschland diskutiert hingegen immer nur über Beitragserhöhung und/oder Leistungskürzung. Vom 5-Kräftemodell von Porter hat man wohl noch nicht gehört.
Wie mißt man Leistung im Gesundheitsystem? Zahl der Eingriffe? Zahl der schnell Gesundeten? Patientenzufriedenheit? usw.usw.usw...???
Wieso muß sich das Gesundheitssystem am Profitprinzip messen lassen?
Werden weitere Kliniken auf dem Land geschlossen, führt das zu noch mehr Verstädterung. Eine zunehmende Verstädterung führt aber zu noch weniger Geburten.
Verstädterung, hohe Mieten und prekäre Beschäftigung erzwingen somit Doppelverdienerehen und werden dann die Geburtenraten noch weiter absinken lassen! Zusätzlich müssen die Doppelverdiener ja auch noch ihre pflegebedürftigen Eltern versorgen, die ja auf dem Land keine ausreichende Versorgung mehr vorfinden. Ein Teufelskreis!
Kinder ade, Renten ade!
Aber vielleicht beabsichtigt die Bertelsmann Stiftung dies ja?
Es geht hier nicht um Profit. Eingesparte Kosten bedeuten entweder geringere Krankenkassenbeiträge, oder höhere Gehälter, oder mehr Investitionsmöglichkeiten ins technische Ausstattung. Wenn man die von mir erwähnten Massnahmen umsetzen würde, könnte man viele Krankenhäuser erhalten und müsste sie nicht schliessen. Zu ihrer ersten Frage: Leistung ganz allgemein alles was heute durch das Gesundheitswesen erbracht wird. Die medizinische Qualität ist sehr gut und in Deutschland, aber verwaltungstechnisch, wirtschaftlich ist das System schlecht organisiert. Die kassenärztlichen Vereinigungen sind überflüssig wie ein Kropf. Es gibt nach wie viel zuviele Krankenkassen. Das hat zur Folge das sie für das gleiche Medikament in Deutschland deutlich mehr bezahlen als etwa in Frankreich. Es geht ja darum den Profit der Pharmafirmen und Gerätehersteller zu reduzieren, in dem man die Einkaufsmacht/Verhandlungsposition der Krankenhäuser, Ärzte und Beitragszahler stärkt.
Ich habe lange in den Niederlanden gewohnt. Dort gibt es nahezu keine niedergelassenen Fachärzte. Die sind alle an den Krankenhäusern angesiedelt, wodurch Krankenhäuser noch einmal eine andere Funktion erhalten, da sie nämlich für poliklinische Versorgung der Bevölkerung verantwortlich sind. So etwas fortschrittliches gab es schon einmal in jenem Teil Deutschlands, der sich DDR nannte.
Mann kann die Krankenhausbehandlung nicht losgelöst vom Rest der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung diskutieren, denn letztendlich geht es um das Gesamtkonzept, um Gesamtkosten.
„Eingesparte Kosten bedeuten entweder geringere Krankenkassenbeiträge, oder höhere Gehälter, oder mehr Investitionsmöglichkeiten ins technische Ausstattung.“ Diese Bemerkung macht nur Sinn, wenn wir die Gesamtkonzeption der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung betrachten. Immerhin verteilen die Gesundheitsdienstleister in der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig t ä g l i c h eine Milliarde EURO untereinander.
Bertelsmann macht es raffiniert und greift sich ein Sub-Thema heraus, lanciert es, um über die Betonung der Einzelinteressen für diese Gruppe profitablere Strukturen zu schaffen und z u e r h a l t e n.
Bertelsmann dekoriert ja auch schon mal ex-präsidiale Kriegsflüsterer mit 200 EURO-Preisen.
Ich bin da bei Ihnen. Man braucht ein Gesamtkonzept. Mit ging es darum aufzuzeigen, dass es in fast allen Bereichen Möglichkeiten gibt, die Kosten zu senken bzw. die Qualität zu steigern , ohne das es zu Lasten der Beitragszahler geht. Ich selbst wohne in der Schweiz. Hier haben die Ärzte keinen Druck wie ihn Deutschland einem etwas aufzuschwatzen. Ärzte sind in Deutschland auch nicht wirklich gut bezahlt, deswegen wandern soviel ein die Nachbarländer aus. Wiegesagt, das System bedarf einer Generalüberholung, aber ich sehe leider bei keiner Partei entsprechende Konzepte.
„ Es geht ja darum den Profit der Pharmafirmen und Gerätehersteller zu reduzieren, in dem man die Einkaufsmacht/Verhandlungsposition der Krankenhäuser, Ärzte und Beitragszahler stärkt.“
Hört sich gut an, nur wie soll das praktisch aussehen? Die Krankenhäuser haben unterschiedliche Kostenträger. Für die Unikliniken sind die Länder zuständig, für die kleinen kommunalen Krankenhäuser die Kommunen und Kreise. Daneben gibt es Kirchen und Stiftungen als Klinikeigentümer und natürlich die Privaten Krankenhäuser wie z.B. das Rhönklinikum. Wie soll da ein zentraler Einkauf zustandekommen? Jeder Klinikeigentümer organisiert seinen eigenen Einkauf, logisch. Und ein Klinikeinkäufer kauft dann oft bei der preiswertesten Firma. Diese ist oft so klein, daß sie leicht in Lieferschwierigkeiten geraten kann, wie unlängst mit Iboprofen In Thüringen passiert. Kluge Einkäufer kaufen bei mehreren Firmen, dann ist immer eine lieferfähig.
Die Vorstände der Krankenkassen sind absolute Top-Verdiener!
Hier gibt es eine Menge Einsparpotenzial:
"TK-Chef Jens Baas war auch im Jahr 2018 der Topverdiener bei den gesetzlichen Krankenkassen. 333.717 Euro Brutto-Jahresgehalt bekam der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse im Vorjahr überwiesen..."
https://www.versicherungsbote.de/id/4877382/TK-Chef-Baas-Topverdiener-der-Krankenkassen/
Ihre Aussage ist absolut korrekt. Ohne Strukturänderungen kommt man hier nicht weiter . Allerdings sollten die Kostenträger ein originäres Interesse an einer Optimierung haben. Die kommunalen Krankenhäuser eines Bundeslandes könnten einen Einkaufsverbund gründen oder ihre Buchhaltungen zusammenlegen oder fusionieren. Wenn die Kommunen diesen Weg nicht bestreiten haben sie nur folgende Wege entweder ihre Krankenhäuser zu verkaufen oder zu schliessen oder dauerhaft zu subventionieren. Die grösste Anzahl an kostendeckend / wirtschaftlichen arbeitenden Kliniken dürfte man erreichen, wenn man bundesweit 5 bis 10 Krankenhausketten hätte, mit 50 bis 200 Krankenhäusern, dann könnte man erhebliche Skaleneffekte erzielen. Ja, das würde eine erhebliche Reduktion der Verwaltungsarbeitsplätze mit sich bringen. Aber das ist immer noch besser als der Verlust aller Arbeitsplätze bei Schliessung.
Ein Politiker mit Biss würde sich an die exorbitanten Vorstndsgehälter der Krankenkassenvorstände heranwagen! Bei privaten Krankenkassen verdienen diese im Schnitt sogar 3 Millionen Euro! Ein Skandal! Aber an diesen Missstand wagt sich ein Jens Spahn wohl nicht heran.
Ein Politiker mit Biss würde sich an die exorbitanten Vorstandsgehälter der Krankenkassenvorstände heranwagen! Bei privaten Krankenkassen verdienen diese im Schnitt sogar 3 Millionen Euro! Ein Skandal! Aber an diesen Missstand wagt sich ein Jens Spahn wohl nicht heran.
Wenn man die Anzahl der Krankenkassen reduziert löst sich auch dieses Problem weitgehend von alleine. Es gibt über 200 Krankenkassen in Deutschland. 20 täten es wahrscheinlich auch und die könnten ihre Einkaufsmacht deutlich stärker nutzen.
Nein, das Problem löst sich nicht, es wirkt nur so! Die Vorstände der gesetzlichen Krankenkassen werden sich trotzdem weiter an den Vorständen der privaten Krankenkassen messen und sich unterbezahlt fühlen. Das Problem sind die privaten Krankenkassen, die die Gehälter nach oben treiben! Das ist wie beim Fußball! An die Thematik traut sich keiner heran, da waren bisher alle zu feige.
Und einem Jens Spahn traue ich das erst recht nicht zu.
Äh, wenn sie statt 200 Vorständen nur noch 20 haben, dann ändert sich quantitativ schon erheblich etwas, selbst wenn man die höher bezahlen würde. Einfache Rechnung. Die Gehaltssumme der Vorstände, so überhöht einem die einzelnen Gehälter erscheinen mögen, ist in Bezug auf die Gesamtsystemkosten von 375 Milliarden vernachlässigbar.
Aber je mehr Versicherte eine Kasse hat, umso mehr verdienen die Vorstände!
Also rechte Tasche, linke Tasche für die Versicherten, aber für die wenigen Auserwählten Vorstände ein Bombengeschäft, welches die Vergütungen am Markt noch höher treiben wird. Und es unterminiert das Prinzip, daß Konkurrenz das Geschäft belebt. Eher eine dumme Idee, die den Versicherten in Summe teurer käme!
Tut mir leid, Herr Braun, ihre Idee wird die Vorstandsvergütungen nur weiter in die Höhe treiben. Die Vorstände der privaten Kassen werden mit den durch die Zusammenlegung der Kassen gestiegenen Vergütungen der gesetzlichen Krankenkassenvorstände argumentieren und noch höhere Vergütungen verlangen! So setzt man eine Preispirale in Gang! Das wird teuer für alle!
Korrektur: Bertelsmann dekoriert ja auch schon mal ex-präsidiale Kriegsflüsterer mit 200.000 EURO-Preisen.
Aus den vorangegangenen Kommentaren ergibt sich, dass viele Probleme mit einem durchgängig öffentlichen Gesundheitswesen gelöst werden können.
Und jetzt wieder die Fr age, auch wenns nervt: Wie kann das gegen die Lobby aus Pharmaindustrie, Geräteherstellern, Kassenärztlicher Vereinigung und Betreibern von Privatkliniken durchgesetzt werden? Hat jemand eine Idee dazu?
mithilfe einer grün-radikalen partei,
die forderungen von aktivisten unterstützt,
aber nicht bändigen kann?
Die vielgepriesenen Marktgesetze funktionieren bei der Produktion des öffentlichen Gutes “Gesundheit“ nicht. Wenn man alle kleinen Kreiskrankenhäuser dicht macht, müssen die Alten und Kranken oft weite Wege in Kauf nehmen. Auch sind bei der Behandlung der PatientInnen oft Therapieentscheidungen notwendig, die dem Diktat der Kostenrechner widersprechen. Und die Pharmaindustrie forscht nur in Bereichen, wie z.B. in der Krebsbehandlung, wo hohe Preise und hohe Renditen erzielt werden können. Die Erforschung neuer Antibiotika, aufgrund der zunehmenden Resisdenzen dringend notwendig, bringt kein Geld ein, weil die Preise für neue Antibiotika im Vergleich zu Krebsmedikamenten lächerlich niedrig sind.