Der wahrscheinlich verhängnisvollste Satz dieses Wochenendes stammt vom designierten FDP-Parteivorsitzenden Philipp Rösler selbst: Die FDP, gab er zu Protokoll, habe nur einen Schuss, und der müsse sitzen. Einmal davon abgesehen, dass dieses martialische Bild aus dem Mund eines Gesundheitsministers etwas befremdlich wirkt und man nicht weiß, wer nach dem Rostocker Parteitag in der FDP noch sein Leben fristen darf, hat er sich damit arg in Zugzwang gebracht. Denn egal, wie das Shooting bei den Freiliberalen ausgehen wird – ob Birgit Homburger als Fraktionschefin bleibt oder von Daniel Bahr oder einem anderen ersetzt wird, ob Rainer Brüderle als Wirtschaftsminister überlebt, und welches am Ende die drei Vertreter in Röslers neuem Olymp sein werden: Überzeugen könnte Rösler nur mit einer inhaltlichen Erneuerung. Und davon ist weit und breit nichts zu erkennen.
Dafür aber viel Missstimmung und Querelen in den Landesverbänden: Ein Außenminister, der in seinem nordrhein-westfälischen Club am Wochenende abgewatscht wurde; eine baden-württembergische Landesvorsitzende, die erst im zweiten Wahlgang mit Ach und Krach ihre Position mangels entsprechender Alternativen behaupten konnte; und eine mitregierende bayrische FDP, die sich mit dem Koalitionspartner CSU wegen des atompolitischen Ausstiegs ein öffentliches Duell liefert. Ganz abgesehen davon, dass sich die ostdeutschen Verbände mit Holger Zastrow in der Spitze repräsentiert sehen wollen, in anderen Ländern die FDP nur noch als Splitterpartei dahin dümpelt, und 80 Prozent der Deutschen Rösler die Kehrtwende ohnehin nicht zutrauen. Keine guten Voraussetzungen für den Parteitag am Wochenende.
Den Blattschuss allerdings versetzte die ehemalige Grande Dame der FDP, Hildegard Hamm-Brücher, ausgerechnet dem Teil der Liberalen, der sich den Erneuerungswillen so plakativ auf die Brust geheftet hat: das liberale Jungvolk. Die jungen Leute, erklärte sie gegenüber der Frankfurter Rundschau, seien „lammfromm“. Eine inhaltliche Veränderung sei von ihnen kaum zu erwarten, ließ die fast 90-jährige, immer noch streitbare Politikerin wissen, die anlässlich der Möllemann-Affäre 2002 die FDP verlassen hatte.
Selbst also für den unwahrscheinlichen Fall, dass Homburger, Brüderle und am Ende vielleicht sogar Westerwelle ihre Posten räumen müssen: Was käme nach ihnen? Ist von Rösler, Lindner und Bahr zu erwarten, dass sie leisten, was Hamm-Brücher als eine Kernaufgabe der Liberalen kennzeichnet, die „unvollkommene Demokratie“ zu schützen? Wohl kaum. Sie werden schützen, was ihnen am nächsten liegt: den Machterhalt ihrer Partei.
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