Der Sumpf ist groß

AfD-Spenden-Skandal Geld und Politik – das ist kein erquickliches Thema. Gerade die SPD sollte das aus eigener Erfahrung wissen
Ausgabe 47/2018
Mit zynischen Kommentaren über Parteispenden, wie sie Alice Weidel empfangen hat, sollten sich vor allem die Sozialdemokraten zurückhalten
Mit zynischen Kommentaren über Parteispenden, wie sie Alice Weidel empfangen hat, sollten sich vor allem die Sozialdemokraten zurückhalten

Foto: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Es ist ein bisschen wie im Sommer 2015. Nicht klammheimliche, sondern offene mediale Häme begleitete damals die AfD, der prominente Mitglieder und Funktionäre von der Fahne gingen und die sich coram publico zerlegte. Erledigt seien die Rechtspopulisten, so die Prophezeiung, und vielleicht hätte sich das bewahrheitet, hätte es diesen September 2015 nicht gegeben und die legendäre Grenzöffnung.

Nun ist sie wieder da, die Häme. Über unerlaubte Großspenden, die über dubiose Kanäle auf darbenden Kreisunterkonten der AfD landeten, zum Wohle ihrer Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel, die im Bundestag die Sauberfrau gibt und programmatisch versichert, „alle Mittel der Parteienfinanzierung unbeschränkter Kontrolle“ unterwerfen und gegen „Korruption“ und Beeinflussung der politischen Willensbildung durch Großspender“ vorgehen zu wollen.

Nun muss sie Auskunft geben über 132.000 Euro, die ein Mr. Unbekannt, über eine Schweizer Pharmafirma verschleiert, ihr als Wahlkampfunterstützung hat zukommen lassen, und weitere 150.000 Euro, die über eine niederländische Stiftung namens „Identität Europa“ flossen, deren Förderer sich hinter der Anonymität des Stiftungsrechts verschanzen. Ein Fall für die Staatsanwaltschaft und für die Bundestagsverwaltung, der die Großspenden nicht angezeigt worden waren, eskortiert von der Schadenfreude der liberalen Öffentlichkeit: Mal sehn, wie lange die Weidel zu halten ist! Zumal die atmosphärischen Störungen zwischen ihr und dem baden-württembergischen Landeschef Ralf Özkara, der ihr den Rücktritt nahelegt, das interne Klima versauen.

Da steht sie nun aufrecht, die Phalanx der politischen Pharisäer. So etwas „darf keinesfalls passieren“, meinte Barbara Hendricks, einst Schatzmeisterin der SPD. „Rücktritt!“, forderte ihr Genosse, der Haushaltsexperte Johannes Kahrs. „Aufklärung!“, rief Britta Haßelmann, die die Geschäfte der Grünen im Parlament führt. Die Union hält sich etwas zurück – noch zu präsent ist die Erinnerung an den monetären Augiasstall, den ihr einst Helmut Kohl hinterlassen hatte – und der nie völlig ausgekehrt wurde.

Geld und Demokratie: Das ist kein erquickliches Thema. „Follow the Money“, lautet das herrschende Prinzip. Die Heuchelei ist umso unappetitlicher, als dass gerade die SPD bekannt dafür ist, komplizierte Firmengewebe zu flechten, um die Parteikasse zu füllen. Beliebt ist auch das mittelbare Sponsoring durch Großunternehmen bei Parteitagen und anderen Veranstaltungen. Und wer fragt eigentlich nach den großen Verbandsspenden, über die Automobilkonzerne sowie die Metall- und Elektroindustrie voll steuerabzugsfähigen Einfluss auf die Politik nehmen? Nicht zu reden vom Großaufgebot der „Kleinspender“ mit weniger als 10.000 Euro, die völlig anonym bleiben. Das betrifft nach Angaben der Antikorruptionsinitiative Lobby Control zwei Drittel der 60 Millionen Euro, die jährlich an die Parteien fließen.

Die AfD mag besonders dreist dabei sein, Rechtsgrenzen auszureizen und zu überschreiten. Dass sie beide Großspenden mit erheblicher Zeitverzögerung zwar zurückbezahlt hat, es aber nicht nötig befand, das Bundestagspräsidium zu informieren, passt zu der ihr eigenen Ächtung des „Systems“.

Vielleicht muss man den ganzen Fall auch im größeren Zusammenhang AfD-interner Ausscheidungskämpfe sehen: Alice Weidel passt einfach nicht zum Markenkern dieser Partei, den der rechtsextreme Flügel derzeit modelliert. Noch wird sie gebraucht wie einst auch Frauke Petry. Aber wie lange noch?

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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