Es war eine ungewöhnliche Runde, die das ZDF am Sonntagabend anlässlich der Wahlen im Saarland präsentierte: ein weibliches Aufgebot mit einem verloren wirkenden Mann zwischendrin, der dann auch noch von der AfD kam. Es bildete das parteienübergreifende saarländische Wahlkampfgespann zwar nicht eins zu eins ab – denn Oskar Lafontaine hatte nur seine Stellvertreterin geschickt –, hatte aber Symbolcharakter. Eine Stunde später in der Berliner Runde war die Politikwelt dann wieder in Ordnung: lauter Generäle, unter denen Katarina Barley von der SPD das gewohnte Gruppenbild mit Dame vervollständigte.
Mit dem Sieg von Annegret Kramp-Karrenbauer im Saarland scheint sich allerdings ein Trend fortzusetzen, unabhängig von Parteizugehörigkeit und Präferenzen: Frauen machen Politik. Nicht als Eintagsfliegen, die vorübergehend an der Macht schnuppern, sondern als deren entschlossene Verteidigerinnen. Manchmal führen sie, wie die 1962 geborene Kramp-Karrenbauer, die weibliche Odyssee noch im Namen. Es ist der Weg aus einer männlich geprägten Hüttenstadt wie Völklingen über die ersten weiblichen Aufbrüche, die verheirateten Frauen Doppelnamen bescherten, als würden sie nur im Amalgam mit dem Ehemann zu einem Körper von Gewicht. Es ist gut, dass wir daran erinnert werden, wie lang dieser Weg war, denn bald wird es keine Politikerinnen mit Doppelnamen mehr geben.
Ihre sozialdemokratischen Kolleginnen Malu Dreyer und Hannelore Kraft in den Anrainerländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben jeweils schon einmal vorgemacht wie das geht, mehr als eine Eintagsfliege zu sein. Beide sind sie aus Länderkrisen an die Spitze gelangt, klassische Ausputzerinnen, wie es Angela Merkel auch einmal war. Die Kraft, die das Amt kostet, kann man spüren, wenn man Dreyer als derzeitige Bundesratspräsidentin beobachtet, oder Hannelore Kraft, die neuerdings Videos ins Netz stellt, die sie bei ihren alltäglichen Geschäften zeigen.
Dabei hatten sich zwei von ihnen gar nicht mehr gegen männliche Konkurrenz zu verteidigen, denn mit Julia Klöckner und Anke Rehlinger fighteten sie in einem geschlechtskongruenten Feld. Selbst die saarländische AfD musste ihre Wahlwerbung auf diese neue Situation abstellen, indem sie „starke Frauen“ aus dem Iran oder aus beruflichen Männerdomänen präsentierte. Genützt hat es der AfD nicht, sie schnitt unterdurchschnittlich ab. Und auch das geht auf Frauen zurück. Denn gegenüber nur 38 Prozent männlichen Wählern haben 43 Prozent der Frauen Kramp-Karrenbauer ihre Stimme gegeben. Auch die grüne und die SPD-Wählerschaft ist mehrheitlich, wenn auch nicht so ausgeprägt, weiblich. Wenn im Saarland allerdings nur Frauen gewählt hätten, hätte die AfD ihren Einzug in den Landtag wohl verpasst. Dabei standen im Saarland, trotz der Spitzenkandidatinnen, erheblich mehr Männer als Frauen zur Wahl, nur die SPD besetzte ihre Listen halbwegs paritätisch.
Männer kommentieren (noch), aber Frauen kommunizieren, diagnostizierte der verstorbene FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher 2003 den Aufstieg von Moderatorinnen im deutschen TV. Die Gesellschaft sei im Begriff, die Macht neu zu verteilen, indem sie an die Vermittler neue Anforderungen stelle. Frauen übernähmen die Führung in der „Bewusstseinsindustrie“, eine „sensationelle Akkumulation der Macht“, wie Schirrmacher aufgestört einräumte. Nun scheint diese „Männerdämmerung“ eine neue Stufe erreicht zu haben, auch wenn aus dem Nichts auferstehende Heldenprinzen wie Martin Schulz anderes suggerieren. Dieser kündigte kürzlich immerhin an, dass die Hälfte seines Kabinetts weiblich sein werde. Das ist – Walter Mompers Senat von 1989! – keine Revolution, versetzt aber Angela Merkel,die im dritten Kabinett mit elf Männern und fünf Frauen angetreten ist, eine kleine Tonsur.
Alles nur Kosmetik, wo doch inzwischen bekannt sein dürfte, dass auch weibliche „Heuschrecken“ Betriebe zerlegen und Politikerinnen ein erbarmungsloses Flüchtlingsregime führen? Sind Frauen eine Waffe in Wahlkämpfen, wenn die Volksparteien wieder an Abgrenzungsprofil gewinnen? In einem Interview nach ihrem Wahlsieg 2012 erklärte Kramp-Karrenbauer, die Frauen würden sie wählen, weil sie sie als „eine von ihnen“ wahrnähmen, mit den gleichen Alltagsproblemen. Der Politikbetrieb habe sich darauf einzustellen, sich anders zu organisieren und zu präsentieren.
Offenbar scheint dies eher nach der Top-down- als nach der Bottom-up-Strategie zu funktionieren: Zuerst eine Kanzlerin, dann Ministerpräsidentinnen und ganz am Schluss die Gemeinden. Der Frauenanteil in den Kommunalparlamenten kleinerer Städte dümpelt zwischen 20 und 25 Prozent, die männlichen Bastionen sind schwer zu entfilzen. Und ein weiteres Phänomen: Im Osten sind die traditionell viel emanzipierteren Frauen bisher nicht an die Länderspitzen aufgerückt.
Nun ist Hannelore Kraft die nächste Politikerin unter Beweislast. Im Unterschied zum kleinen Saarland hat sich das große Flächenland NRW strukturell längst nicht erholt. Aber sie ist die Amtsinhaberin, für die es leichter ist, eine Position zu verteidigen, als für CDU-Herausforderer Armin Laschet, sie zu erobern. Insofern sind Politikerinnen in der Normalität angekommen. Irgendwann wird der Geschlechterbonus wegfallen. Die Fallen der Macht bleiben.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.