Vor nichts haben Politiker:innen derzeit mehr Angst als vor einem neuerlichen Lockdown im Herbst. Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet verspricht, dass es keine weiteren Beschränkungen geben wird. Sein Parteikollege, Gesundheitsminister Jens Spahn, schließt – zumindest für Geimpfte – einen zweiten Lockdown ebenfalls aus. Vor diesem politischen Hintergrund ist auch die Diskussion um die Drittimpfung, Booster genannt, zu sehen. Denn es mehren sich die Berichte von sogenannten Impfdurchbrüchen, das heißt von Menschen, die sich trotz Impfung mit dem Virus infizieren. Seit Februar 2021 verzeichnete das Robert-Koch-Institut 5.374 Fälle.
In Bayern ist die Auffrischungsimpfung in den Pflegeheimen schon angerollt, und spätestens ab September soll sie auch in den übrigen Bundesländern beginnen. Keinen Dissens gibt es darüber, dass Hochbetagte, Immungeschwächte und Pflegebedürftige, deren Impfung über ein halbes Jahr zurückliegt, in deren Genuss kommen sollen. Aber ein Drittimpfangebot auch an alle anderen, wie Spahn es kürzlich angekündigt hat? Obwohl Experten wie Christian Drosten dies nicht für notwendig halten und bisher keine Empfehlung der Ständigen Impfkommission vorliegt?
Die Daten aus Israel belegen, dass der Infektionsschutz durch eine Impfung vor allem bei Menschen mit geringer Immunantwort mit zunehmender Dauer abnimmt, im Fall von Biontech/Pfizer von 95 Prozent im April auf 40 Prozent im Juli. Doch macht es Sinn, die Impfaktivitäten auf eine Drittimpfung für alle zu diversifizieren, statt die Ungeimpften ins Visier zu nehmen? Nicht nur im eigenen Land, sondern vor allem auch die 85 Prozent der Weltbevölkerung, die bisher gar keinen Zugang dazu haben und wo die Gefahr, dass neue Mutationen auftreten, besonders groß ist? So sieht es der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus: „Ernsthaft enttäuschend“, nennt er es, dass Länder, deren Bevölkerung mehrheitlich geschützt sei, nun eine dritte Dosis verabreichten. Es bleibt wie gehabt: Für die wohlhabenden Länder die Sicherheit, für die ärmeren Länder – wenn überhaupt – Impfstoffe wie Astrazeneca, die hier keiner will. Jens Spahn hat entsprechende großzügige Lieferungen an die Initiative Covax angekündigt.
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