Es gäbe ja nun reichlich abgedroschene Redensarten, um diesen als Kompromiss verkauften Deal zur Grundrente zwischen Union und SPD abzuwatschen, aber die beteiligten Politiker samt Opposition besorgen das schon selbst, wenn sie von „Minimallösung“, „Kuhhandel“, „Wahlkampfhilfe für Scholz“ und ähnlichem reden. Das dem Berg entfleuchte Mäuschen hat Untergewicht, springt nicht weit genug und ist anämisch. Eine Grundrente für maximal 1,5 Millionen Rentner, die nachweisen müssen, dass sie nicht genug Einkommen haben und an die nicht mehr als 1,5 Milliarden Euro im Jahr verteilt werden dürfen, ist sicher kein großer Wurf, um Altersarmut zu verhindern. Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken nennt den ausgehandelt Deal „zynisch“ und erinnert daran, dass beim E-Auto üppige Kaufprämien mit der Gießkanne verteilt würden.
Schon allein die Voraussetzungen sind willkürlich und hoch gehängt: Die künftigen Grundrentenbezieher müssen mehr oder minder 35 Jahre lang in die Rentenkasse einbezahlt haben (es soll eine sogenannte nicht näher bestimmte Gleitzone geben), zwischen 30 und 80 Prozent Beitragspunkte beibringen und dürfen nicht mehr als 1.250 Euro im Monat Einkommen beziehen. Wenn das erfüllt ist, wird ihre ursprüngliche Rentenleistung verdoppelt bis zu maximal 80 Prozent der Durchschnittsrente, allerdings wiederum mit einem Abschlag von 12,5 Prozent. Dazu werden beim Wohngeld und bei der Grundsicherung Freibeträge gewährt, so dass die Grundrente nicht andere Transferleistungen auffrisst. Darüber hinaus will die Koalition die Betriebsrenten stärken. Ein erster Schritt wäre, diese Renten endlich von der vollen Verbeitragung für Kranken- und Pflegeversicherung zu befreien, die, das zur Erinnerung, eine SPD-Ministerin eingeführt hat.
Grundrente und Gerechtigkeit
Doch ganz unvoreingenommen: Wer sich dieses ganze Konstrukt ausgedacht hat, spinnt, und es trägt sichtlich die Züge eines koalitionären Geschachers. Es berücksichtigt weder die tatsächlichen Bedarfe, noch ist es gerecht, sondern höchstens geeignet, die kommenden Parteitage von Union und SPD zu überstehen und diese siechende Koalition fortzuführen. Beim Volumen hat sich sichtlich die Union durchgesetzt, die den von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) anvisierten Umfang von mindestens drei Millionen Betroffenen und 3,5 Milliarden Euro auf die Hälfte gestutzt hat, allerdings ihre ursprüngliche Marge von 200.000 Euro aufgeben musste. Fallenlassen mussten die Unionsparteien die umfassende Bedürftigkeitsprüfung, ein Punkt für die SPD. Das wirft aber Gerechtigkeitsprobleme auf: Wer in eine private Alterssicherung einbezahlt hat und daher über 1.250 Euro Einkommen bezieht, geht leer aus; wer dagegen sein Geld in den Sparstrumpf steckt oder im eigenen Häuschen mietfrei wohnt, kommt möglicherweise in den Genuss der Grundsicherung, weil das Vermögen keine Rolle spielt.
Wie war das bei der Mütterrente?
Ungerecht ist dieses Modell auch gegenüber jenen Frauen, die vielleicht 35 Jahre gearbeitet haben, aber deren Ehemann ebenfalls eine Rente bezieht. Kommen sie zusammen über 1.950 Euro Einkommen im Monat, haben diese Frauen keinen Anspruch auf Grundrente, während bei der Mütterrente der Rentenanspruch des Partners nicht angerechnet wird. „Der Respekt vor der Mutterschaft“, erklärt Mitkoalitionär Karl Lauterbach (SPD), sei offenbar höher, als der vor der Arbeit der Frauen. Es gäbe noch eine ganze Reihe weiterer Ungerechtigkeiten und Schieflagen anzuführen, ganz abgesehen davon, dass diejenigen, die ohne eigenes Verschulden nicht entfernt auf 35 Beitragsjahre kommen, ohnehin durch den Rost fallen. Das findet sogar Christian Lindner von der FDP, nur dass sein Konzept, bei der Grundsicherung einfach einen Freibetrag von 20 Prozent einzuziehen, weder das Problem Altersarmut löst, noch den demütigenden Gang zum Amt verhindert.
Doch ging es überhaupt um die Alten und deren Lage? Oder eben doch nur um die Erhaltung eines politischen Status quo, in dessen Niederungen sie zur Manövriermasse geworden sind? Peinlicher als mit diesem Endlosgerangel um die Grundrente und diesem dem ökonomischen Prinzip geschuldeten Kompromiss hätten sich die Volksparteien nicht präsentieren können.
Kommentare 20
Möchte jemand den Begriff »Betrug am Wähler« mit einem Exempel bebeispielen, wäre der sogenannte Kompromiss zur Grundrente der Idealkandidat.
Was ist passiert? Gesellschaftlicher Auslöser (= Bedarf) ist die flächendeckend drohende Altersarmut. Politisch in der Diskussion entsprechend: ein Anheben kleiner Renten (= Angebot; auch »Grundrente« genannt).
Auf Großkoalitions-Ebene transferiert wurde das Angebot flugs zum Angebötchen – wobei sich ein Angebötchen (SPD) und ein noch kleineres Angebötchen (CDU/CSU) in einer erbittert geführten Scheindiskussion gegenüberstanden. Die SPD koppelte ihr Angebötchen an 35 Beitragsjahre, mochte die persönlichen Situationen dahinter jedoch nicht so streng prüfen. CDU/CSU hingegen beharrten auf einer äußerst strengen Prüfung.
Der »Kompromiss«: Die strittige Bedürftigkeitsprüfung wird nunmehr in Einkommenprüfung umbenannt – sicher ein echter reformerischer Fortschritt. Hinzu kommt eine Beitragsleistungsbemessung, bei deren Eckparametern 80% und 30% vermutlich noch nicht einmal die Unterhändler(innen) erklären können, was genau damit gemeint sein soll. Als weitere Berechnungsparameter kommen Einkommensfreibeträge hinzu (obwohl der Staat eigentlich etwas geben wollte anstatt zu nehmen) sowie ein paar weitere Kleinigkeiten für Rechenakrobaten.
Die Frage, wer hier wen über den Tisch gezogen hat, kann aufgrund überdurchschnittlicher Eindeutigkeit übergangen werden (für Merkbefreite an der Stelle der Hinweis: die beim Wort »sozial« stets hyperventilierende CDU ist es nicht). Wichtig bei dem ausgehandelten »sozialpolitischen Meilenstein« (SPD-Interimschefin Dreyer) ist, dass nur der Zugang in das neue System bekommt, wer – so CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer – auch einen Bedarf hat. Der Bedarf wiederum werde – hier schließt sich die Gleichung der großkoalitionären Mathematik zum Grande Finale eines epischen Theaterstücks – durch eine umfassende Einkommensprüfung sichergestellt.
Und wie wird geprüft, werden sich Klein-Michel und Klein-Lisa sicherlich fragen. Da »Prüfung« letzten Endes Prüfer voraussetzt, fordert speziell der letzte Punkt den Rechenschieber geradezu heraus. waz.de veranschlagt eine Prüfer-Anzahl von mehreren Tausend. In Euro veranschlagt (beim Mittelwert 5.000 Prüfer*nnen à 3.000 Brutto-Mittelwert pro Monat mal 12) kostet das hochkomplexe Controlling-respektive Gängel-System, dass SPD und CDU/CSU nunmehr als großen Erfolg verkaufen, pro Jahr rund 180 Millionen. In Grundrenten ausgedrückt (die ja lediglich aufstockende Funktion haben) wären damit 100.000 bis 200.000 Rentner(innen) bereits aus dem Gröbsten raus. Aber vielleicht spekulieren die Apparatschiks von SPD und CDU/CSU ja darauf, dass prüfbedingt ein gewisses Kontingent dieser unnützen Esser(innen), für die man sich Nächte um die Ohren geschlagen hat, vorzeitig abnibbelt – dann hätte sich die installierte Einkommensprüfung nicht nur als erfolgreiche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im Staatssektor profiliert, sondern auch im Hinblick auf das anvisierte Ziel: Bedarfe erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Mehr in diesem Theaterstück: Nicht so bald. Vielmehr ist die Grundrente-Einigung als ein »Erfolg« zu betrachten, nach dem schon aus dramaturgischen Gründen nichts weiteres mehr kommen kann.
Die große Koalition gehört zu den Architekten der großen Ungerechtigkeiten in dieser Gesellschaft, was ihnen ja Gott-sei-Dank in der Zwischenzeit langsam selber zum Verhängnis wird.
Nur Herrn Scholz – dem wird’s helfen. Er ist bekanntlich eine Garant des Weiter-so mit kosmetischen Korrekturen: Keine Bedürftigkeitsprüfung, wohl aber eine umfassende Einkommensprüfung-
Ich denke, die Zukunft dieser großartigen Reform wird ungefähr wie folgt aussehen:
Oma Müller ist 70. Weil die Rente unter dem Existenzminimum liegt, geht sie putzen. Weil Rente und Minijob zusammen mehr ergeben als das gesetzliche Existenzminimum vorsieht, ist sie per se nicht berechtigt, einen Grundrente-Aufschlag zu kriegen. (Darüber hinaus hat sie auch nur 33 Beitragsjahre – fünf weitere sind nicht mehr nachweisbar, weil sich der russische Existenzgründer, für den sie zeitweilig die Buchführung machte, entweder in Luft aufgelöst hat oder aber von einem tschetschenischen Kommando unter die Erde befördert wurde.)
Zusätzlich hat Frau Müller natürlich Steuern zu latzen (wegen Minijob) – weswegen ihr Sohn (nach einer Session mit rund 12 Kannen Filterkaffee) festgestellt hat, dass sie vielleicht doch was kriegt. Die Prüfer prüfen ergo Frau Müller, das Finanzamt tut das ebenfalls – ebenso das Sozialamt, weil sie eventuell Ansprüche hat auf ergänzende Existenzsicherung, im Volksmund auch Hartz-IV genannt. Heraus kommt indess, dass sie zu 80% über den 30% liegt, welche die neue Superprüfstelle für Kaffee und Kuchen als maximalen Freibetrag angesetzt hat. Das Finanzamt erhebt auf Basis der vielen Zahlen, die von den vielen Ämtern erhoben wurden, eine kräftige Nachzahlung, Frau Müller muß zum Amt, das Amt verweist sie an die Prüfstelle. Die Prüfstelle schließlich teilt Frau Müller nach 18 Monaten mit, dass ihr monatlich 36,50 Eu aus dem Grundsicherungsfond zustehen. Den Betrag habe man, so das Schreiben weiter, an das Finanzamt überwiesen.
Das Ende vom Lied: Frau Müller gibt den Putzjob auf und bezieht stattdessen ergänzende Leistungen vom Amt. »Grundrente« hat sie sich abgeschminkt. Nur bei dem von Sigmar Gabriel im TV kolportierten Witz, der Bedarf an Grundrente sei gar nicht so hoch gewesen wie ursprünglich geschätzt, kann sie gar nicht lachen.
Ironie der Geschichte:
In der Zwischenzeit sind es bereits die Rentner selbst, die diese „neue“ Grundrente bezahlen, nämlich durch ihr Steueraufkommen von in der Zwischenzeit 34,65 Milliarden Euro Einkommensteuer (2015). Das ist mehr als das Aufkommen aus dem Soli (15,93 Milliarden Euro in 2015
Ein Kompromiss ist eben ein Kompromiss, der an allen Flanken nur Unzufriedene hinterläßt. Hoffen wir, daß machtbesitzende Flügel diesen Kompromiss nicht kippen. In absehbarer Zukunft wird es so schnell keine Regierungskonstellation geben, die gewillt und in der Lage ist, etwas besseres zu beschließen. Das Deutsche Renten- und Sozialsystem ist verkorkst und mit der Leistungs-, Neid- und Gerechtigkeitsideologie seiner Bürger eh nicht reformierbar.
»Das Deutsche Renten- und Sozialsystem ist verkorkst und mit der Leistungs-, Neid- und Gerechtigkeitsideologie seiner Bürger eh nicht reformierbar.«
Sei’s drum:
Im Rahmen der schröderschen AGENDA 2010 musste das bewährte, umlagefinanzierte soziale Sicherungssystem der BRD zerschlagen und in Teilen durch fragwürdige kapitalgedeckte Versicherungsformen einseitig zulasten der Bürger ersetzt werden.
Systematisch und begleitet von Chorgesang der Medien wurde die Parole ausgegeben, in Europa und „ganz besonders in Deutschland“ seien die Bürger bei ihrer Altersvorsorge „übermäßig abhängig von den staatlichen Renten“. Die staatlichen Renten könnten allerdings „nicht mehr das Einkommen bieten, das sie für ihr längeres Leben benötigen“, gleichzeitig sei die private Altersvorsorge „unterentwickelt“. Die Regierungen müssten daher in „Zusammenarbeit mit den Unternehmen eine langfristige, ganzheitliche Strategie“ verfolgen.
Deshalb sei es nötig, die Arbeitnehmer zum Sparen und Investieren am Aktienmarkt zu motivieren, um sie an den Kapitalgewinnen zu beteiligen. Dass es genau dieser Kapitalmarkt war, der uns die dramatische Finanzkrise seit 2008 bescherte, wird geflissentlich nicht erwähnt.
Auch die Rentenreform 2001 á la AGENDA 2010 ist unter massiver Einflussnahme der Lobbyisten der Finanzmärkte zustande gekommen. Damals standen einige Lebensversicherer am Rande des Abgrunds, und die Mannheimer Versicherung war ja bereits illiquide. Das heißt, man hat dringend nach einer Möglichkeit gesucht, der Versicherungswirtschaft unter die Arme zu greifen. Das ist die eigentliche Motivation!
Dafür wurde vom Deutschen Bundestag 2001 ein schleichender Verlust unserer Renten von 20 Prozent bis zum Jahr 2030 bewusst gesetzlich festgeschrieben. Ein frecher, skrupelloser Akt, Arbeitnehmer bzw. potenzielle Rentner für die Rendite privater Unternehmen – Hasardeure, wie wir seit der Lehman-Pleite wissen – in die Pflicht zu nehmen.
Parallel dazu:
Von 1991 bis 2010 lt. Böckler Impuls, Ausgabe 03/2012, wurde die Anzahl der Beschäftigen in Öffentlichen Dienst um 1,6 Millionen gesenkt; das waren über 30 Prozent. Und man hat für die Realisation der AGENDA 2010 jede Gelegenheit wahrgenommen, reguläre Arbeitsverhältnisse zu Modulen und Minimodulen zu fragmentieren, hat Miniarbeitsplätze geschaffen. Das Arbeitsvolumen in der Bundesrepublik Deutschland, das zwischen 1960 und 2008 fast identisch blieb (ca. 57 Mrd. Stunden), wurde seit 1960 von rund 26 Mio. auf 44,5 Mio. Arbeitnehmer umverteilt. Im Gegenzug sank die Wochenarbeitszeit. 2013 lag es bei 58,072 Milliarden Stunden, dem Höchststand seit 1994.
Deutschland ist auf diese Weise vom „Parteienkartell aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNE“ zum Niedriglohnland Nr. Eins in Europa entwickelt worden.
Statt die Unternehmen zu verpflichten, einen auskömmlichen Lohn zu zahlen, sanktionieren die Regierungen derartige Unternehmen, indem sie deren völlig defizitäre Löhne mit Steuergeld kompensieren und so die Skandalbezahlung der Unternehmen belohnen. Die Empfänger dieser Maßnahme nannte man dann diskriminierend Aufstocker.
Spätestens seit der AGENDA 2010 betreiben die Politiker des „Parteienkartells aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNE“ bekanntlich konzertiert systematischen Besitzstandsklau und Prekarisierung der Bevölkerung, während es Finanzwirtschaft und multinationalen Konzernen gleichzeitig devot die Wege für deren Beutezüge ebnet.
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»Das Deutsche Renten- und Sozialsystem ist verkorkst und mit der Leistungs-, Neid- und Gerechtigkeitsideologie seiner Bürger eh nicht reformierbar.«
Ein flotter Spruch, angesichts der Tatsache, dass die vom politisch-medialen Komplex immer wieder promotete neoliberale Gesellschafts- resp. Wirtschaftsordnung die Besitztürmer der Reichen hegt und pflegt und selbst noch ohne Bedürftigkeitsprüfung alimentiert, – man denke an die 50 Billionen US-Dollar-Sause der Kapitalwirtschaft, für die das Narrativ Lehman-Pleite 2008 herhalten muss und die heute noch mit einer Draghi-Monopoly-Geldschwemme fortgesetzt wird.
Ein flotter Spruch auch angesichts der gängigen Tatsache, dass beispielsweise der wegen Steuerhinterziehung verurteilte Ex-Postchef Klaus Zumwinkel seine gesamten Pensionsansprüche ausgezahlt bekommen hat – insgesamt rund 20 Millionen Euro.
!!!Es gibt in Deutschland offensichtlich zwei Rentensysteme, nämlich eins für die doofen Bürgerinnen und Bürger und das für die Eliten (?) und deren Establishment.!!!
Ohne Bedürftigkeitsprüfung alimentiert die BRD Ex-Bundespräsidenten mit nahezu einer halben Million EURO jährlich, und der Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder erhält neben seinem Job in der Privatwirtschaft noch Geld aus der Staatskasse. 561.000 Euro waren es in 2017 Jahr allein für die Bezahlung der Mitarbeiter im Berliner Büro. Das geht aus einer Antwort des Bundeskanzleramts auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Als Altkanzler hat Schröder einen Anspruch auf ein Büro.
Zudem erhält Gerhard Schröder ein Ruhegehalt, das alleine für seine sieben Amtsjahre als Kanzler (1998 bis 2005) laut Gesetz rund 35 Prozent des Gehalts der derzeitigen Regierungschefin Angela Merkel (CDU) beträgt. Das sind damit 6446 Euro im Monat. Hinzu kommen Bezüge für seine Zeit in der niedersächsischen Landesregierung und als Bundestagsabgeordneter. (Quelle: SPIEGEL ONLINE)
…
Deutschland diskutiert über die Grundrente. Das niederländische Rentensystem gilt laut OECD als eines der besten der Welt, denn im Schnitt bekommen niederländische Rentnerinnen und Rentner 98 Prozent ihres durchschnittlichen Bruttogehalts. Eine staatlich finanzierte Grundrente erhalten Menschen sogar, wenn sie gar nichts in die Rentenkasse eingezahlt, also nie gearbeitet haben. Augenblickliche Höhe der AOW. In Deutschland gibt es in solchen Fällen nur die Grundsicherung im Alter, die in etwa dem Hartz-IV-Satz entspricht.
Dem muss man wohl kaum noch etwas hinzufügen: Ich habe dort 31 Jahre lang gelebt.
Es ist mit der Rente nicht anders, wie mit der berühmten „schwäbischen Hausfrau“: Für alles, was einem wichtig ist, hat man auch Geld.
Das wirft aber Gerechtigkeitsprobleme auf: Wer in eine private Alterssicherung einbezahlt hat und daher über 1.250 Euro Einkommen bezieht, geht leer aus; wer dagegen sein Geld in den Sparstrumpf steckt oder im eigenen Häuschen mietfrei wohnt, kommt möglicherweise in den Genuss der Grundsicherung, weil das Vermögen keine Rolle spielt.
Kritik lässt sich am schönsten und schärfsten üben, wenn man darüber hinwegsieht, dass sich hier zweieinhalb Parteien einigen mussten, die sich eben politisch doch nicht in allem gleich sind. Man nenne sie "die Koalition",und fertig ist der Katastrophenfilm.
Im Übrigen wurde die SPD in diese Groko nun wirklich hineingeprügelt - vom Genossen Bundeseule, und von einer "öffentlichen Meinung", die "stabile Mehrheiten" chronisch mit Handlungsfähigkeit und -bereitschaft verwechselt.
Man muss die SDP ja nicht gut finden, aber mit der "Grundrente" hat sie es wenigstens versucht - ähnlich wie zuvor bei den "Mindestlöhnen".
Für mehr Gerechtigkeit findet sich in diesem Bundestag keine Mehrheit. Die Sozialdemokratie ist nicht an allem Schuld.
»Man muss die SDP ja nicht gut finden, aber mit der "Grundrente" hat sie es wenigstens versucht - ähnlich wie zuvor bei den "Mindestlöhnen".«
Hallo? – Gehört die AGENDA-SPD nicht zu den üblen Architekten der gegenwärtigen politischen Großwetterlage. Sie versucht allenfalls Korrekturen ihrer bewusst bürgerfeindlichen Politik der letzten 20 Jahre vorzunehmen. Und auch da stellt sie sich reichlich dilettantisch an.
Ich will Ihnen garnicht widersprechen. Alles unbestreitbare Fakten. Nur haben Sie mal die Diskussionen in den Medien verfolgt? Hier gibt es auf den Ebenen der normalen Bürger wie bei den Kesselflickern zu. Natürlich beabsichtigt, ablenkend. Die Ursachen und Probleme liegen doch viel tiefer, viel früher. Unterbezahlte Jobs, prekäre Beschäftigung, unterbewertete gesellschaftliche Wertschöpfung einschließlich Dienstleistungen für eine funktionierende solidarische Gesellschaft. Leistungs-, Neid- und Gerechtigkeitsideologie wird gepflegt und nach dem altbekannten Motto "teile und herrsche" in alle!!! Schichten als Gift gepusht.
"Deutschland diskutiert über die Grundrente. Das niederländische Rentensystem gilt laut OECD als eines der besten der Welt, denn im Schnitt bekommen niederländische Rentnerinnen und Rentner 98 Prozent ihres durchschnittlichen Bruttogehalts. Eine staatlich finanzierte Grundrente erhalten Menschen sogar, wenn sie gar nichts in die Rentenkasse eingezahlt, also nie gearbeitet haben. Augenblickliche Höhe der AOW. In Deutschland gibt es in solchen Fällen nur die Grundsicherung im Alter, die in etwa dem Hartz-IV-Satz entspricht."
Sie haben, erinnere ich mich, schon in einem meiner letzten Artikel darauf hingewiesen. Ich kenne das Modell, wir müssten es vielleicht einmal ausführlich vorstellen. Es ist - trotz der Probleme, die die kapitalmarktfinanzierten Anteile mit sich bringen - auf jeden Fall besser als hierzulande. Allerdings sind die Niederlande ein kleines Land.
Sorry - wenn Sie aus jedem Differenzierungsversuch eine Wahlempfehlung herauslesen, soll das nicht mein Problem sein. Noch viel Spaß beim Exorzismus.
"Doch ganz unvoreingenommen: Wer sich dieses ganze Konstrukt ausgedacht hat, spinnt, und es trägt sichtlich die Züge eines koalitionären Geschachers."
Wie immer: Unsere Gesellschaft besteht aus Wirtschaft und Politik oder Politik u. Wirtschaft ohne arbeitende Menschen!
Wo ist die Mitbestimmung der Gewerkschaften oder auch die Einbeziehung in der folgenden Beurteilung , auch in den Medien?
Auch wenn ich 31 Jahre lang in den Niederlanden gewohnt habe, kann ich mich nicht als Rentenexperte aufspielen. Darum hatte ich meinem vorstehenden Text entsprechende Links angefügt, die für die Eigenrecherche ausreichend sein sollten. Die Informationen werden selbst noch in Deutsch erteilt. Bemerkenswert ist, dass AOW-Leistung selbst diejenigen erhalten, die Zeitlebens nicht gearbeitet haben – ohne Wenn und Aber. Die Niederländer wollen eben keine Altersarmut.
Die AOW-Leistung ist eine Grundaltersversorgung für Personen, die das definierte Rentenalter erreicht haben.
Für Alleinstehende beträgt sie augenblicklich € 1.228,22, für verpartnerte Personen € 843,78.
Dieses Geld bekommt jeder Anspruchsberechtigte, gleichgültig, welche weiteren Einkünfte generiert werden und der Vermögensstand ansonsten ist. Anspruchsberechtigt ist j e d e r / j e d e , der resp. die in den Niederlanden gewohnt oder gearbeitet hat.
…
Wissen Sie – es ist für mich unerträglich, dass Deutschlands politisch-medialer Komplex immer dann ein großes Lamento und Pfennigfuchserei aufführt, wenn es um die Abgehängten ihrer eigenen Politik geht, während die entsprechenden Damen und Herren sich selbst großzügigst bedienen.
Ein besonders obszönes Beispiel: Ausgerechnet der Stifter dieser vergifteten Debatte, der Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder erhält neben seinem vergoldeten Rosneft-Job in der Privatwirtschaft immer noch Geld aus der Staatskasse. 561.000 Euro waren es in 2017 Jahr allein für die Bezahlung der Mitarbeiter im Berliner Büro. Das geht aus einer Antwort des Bundeskanzleramts auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Als Altkanzler hat Schröder einen Anspruch auf ein Büro.
Zudem erhält Gerhard Schröder ein Ruhegehalt, das alleine für seine sieben Amtsjahre als Kanzler (1998 bis 2005) laut Gesetz rund 35 Prozent des Gehalts der derzeitigen Regierungschefin Angela Merkel (CDU) beträgt. Das sind damit 6446 Euro im Monat. Hinzu kommen Bezüge für seine Zeit in der niedersächsischen Landesregierung und als Bundestagsabgeordneter. (Quelle: SPIEGEL ONLINE)
So etwas ist für mich unerträglich.
Aber wenn ich das richtig erinnere, bekommen das nur Menschen, die 50 Jahre in den Niederlanden gewohnt haben, ist das richtig
Ihren Verdruss über die Pfennigfuchserei bei den Abgehängten verstehe ich gut. Leider hat die SPD hier einen katastrophalen Anteil dabei, insbesondere in der Ära Schröder, der durchgesetzt hat, was die Union nicht konnte. Davon werden sich die Sozialdemokraten womöglich nie mehr erholen.
»Aber wenn ich das richtig erinnere, bekommen das nur Menschen, die 50 Jahre in den Niederlanden gewohnt haben, ist das richtig«
Nein, das ist nicht richtig.
Wenn Sie in den Niederlanden wohnen oder arbeiten, sind Sie in der Regel auf Grundlage des Allgemeinen Gesetzes über die Altersversicherung, AOW (Algemene Ouderdomswet) versichert. Für jedes versicherte Jahr bauen Sie einen Anspruch von 2 % des vollen AOW-Leistungsbetrags auf.
In meinem persönlichen Fall, der ich dort 31 Jahre lang wohnte, hätte ich einen Anteil von 62 Prozent erreicht, doch gehörte ich zu den wenigen Ausnahmen, die diesen Rentenanspruch nicht realisieren konnten. 50 Jahre sind entsprechend notwendig, um 100 Prozent der Leistung verwirklichen zu können. Ansonsten entsteht anteiliger Anspruch.
In den Niederlanden gibt es 4 Volksversicherungen. Grundsätzlich gilt, dass Personen, die legal in den Niederlanden wohnen, in diesen Volksversicherungen versichert sind. Es gibt aber Ausnahmen.
Es gibt selbst Grenzpendler, die von Deutschland aus in den Niederlanden arbeiten und dadurch einen (anteiligen) Anteil auf AOW-Leistung erwerben.
Für spezifischere Informationen sollten Sie sich mit der Soziale Verzekeringsbank (SVB) in den Niederlanden in Verbindung setzen.
"Davon werden sich die Sozialdemokraten womöglich nie mehr erholen."
Die Linken allerdings auch nicht, die in ihrem Anti-Agenda-Kampf den Verlust /bzw. das Fehlen seit je/ eines sinnvollen Sozialbegriffes offenbarten, und sogar ihr Gießkannenprinzip, z. B. beim BGE-"Konzept", noch ihrer Funktionärsherrlichkeit unterordneten:
Kipping war beauftragt worden, dieses zu entwickeln und vorzustellen. Daraufhin passierte 2 Jahre lang gar nichts, bis sie auf diesbezüglichen, offenen Parteiveranstaltungen bundesweit auftrat:
Dort präsentierte sie ein "Konzept", das wesentlich aus einem kleinen Zahlenwerk bestand, für das man max. 2 Nachmittage gebraucht hätte und entschuldigte die Verspätung von 2 Jahren damit, dass der von ihre damit beauftragte Mitarbeiter kurz nach der Übernahme dieser Aufgabe leider schwer erkrankt sei und daher erst vor Kurzem damit fertig geworden wäre. Im wesentlichen handelte es ich bei den Zahlen um die Hochrechnung monatlich auszuzahlender Beträge für jeden Einwohner auf das bundesweite Jahresvolumen (Billionen), - und dessen illusionäre (Re-)Finanzierungsoptionen, für die kaum eine befähigte Verwaltung, - erst recht nicht von linker Seite - existiert bzw. beschaffbar wäre.
Sorry, falsch adressiert:
@ Ratatörskr
Für spezifischere Informationen sollten Sie sich mit der Soziale Verzekeringsbank (SVB) in den Niederlanden in Verbindung setzen.
" ... dass AOW-Leistung selbst diejenigen erhalten, die Zeitlebens nicht gearbeitet haben."
Jaja, der uralte Linkenirrtum, wer keine Lohnarbeit im kapital(kritisch)en Sinn verrichte, der/die "arbeite" auch nicht.
Und immer schön gendern, wer up-to-date sein will. Aber das braucht man bei Ihnen ja nicht zu fürchten.
Neben den bekannten Nur-Hausfrauen und den Angerissenen aus Marx' "Abschweifungen zur Produktivität" kommen heute m. E. auch jene als Arbeitende in Frage, die es arbeitsmäßig zeitlebens bei der Oooohhhhmmm-Atmung belassen haben: Es ist heutzutage durchaus als Arbeit zu werten, seine Lebensübung so zu gestalten, dass man NICHT mit dem ratternden MG in der Bahnhofshalle endet.
... dann bezog sich meine Erinnerung auf die 50 Jahre, die es braucht, um 100 % Rente zu bekommen. Aber Ihre Infos sind sehr wertvoll, danke nochmals.