Es war eigentlich kein schlechter Start für die Linkspartei in den Bundestagswahlkampf gewesen. Als es um die Kandidatur fürdie Bundespräsidentschaft knirschte, als die Union erfolglos nach einem Bewerber fahndete, der sein Häuschen, anders als einst Christian Wulff, garantiert schon abbezahlt hat, da verbeugte sie sich leicht – nicht devot – vor der SPD und den Grünen: Lasst es uns doch zusammen schaffen und ein Signal setzen für Rot-Rot-Grün. Ein gemeinsamer Kandidat, besser noch, eine Kandidatin! So wie einst Gustav Heinemann 1969, der eine Art Götterbote einer neuen kleinen Zeitrechnung war.
Es hat nicht geklappt. Es ist müßig, darüber zu richten, wer die Sache verpatzt hat. „Die Kräfteverhältnisse“
sse“ vielleicht, die ja nicht haftbar gemacht werden können. Eine in der Verlegenheitsecke schmorende Sozialdemokratie, die sich nicht einmal zutraut, endlich ihren Kanzlerkandidaten zu benennen? Eine zwischen Schwarz und Rot zerrissene grüne Partei, die glücklicherweise von ihrer Basis gelegentlich daran erinnert wird, woher sie kommt? Oder doch vielleicht auch die Linkspartei, die sich recht bequem eingerichtet hat zwischen der Parteizentrale im Liebknecht-Haus und dem Regierungsviertel, eine an Berliner Verhältnissen gemessen kurze Achse der Macht?Nach außen geräuscharmMit dem dann schnell gekürten, integren Armutsforscher Christoph Butterwegge haben sich die Linken personell aus dem Schlamassel beholfen und davon abgelenkt, dass das, was Deutschland zerreißt, in gewisser Hinsicht auch Schattenriss der eigenen Partei ist und als Fraktionsvorsitz im Bundestag sitzt in Gestalt der Traditionslinken Sahra Wagenknecht und des Pragmatikers Dietmar Bartsch. So jedenfalls wurden die beiden inkompatibel erscheinenden Politiker von den meisten Medien politisch profiliert, als sich Gregor Gysi zurückzog und man genüsslich darauf wartete, dass sich die beiden Schaugefechte liefern würden.Das ist nicht passiert, im Gegenteil läuft die Linksfraktion so am Schnürchen wie die rot-rot-grüne Koalition unter Bodo Ramelow in Thüringen oder – aber das ist ein anderer Fall – die schwarz-grüne in Hessen. „Geräuschlos“ nennt man das, und man weiß nie, ob das in einer medial kartierten Politiklandschaft nun gut oder schlecht ist. Ramelow ist vor allem wegen seiner provokanten Twitter-Nachrichten im Gespräch.Weniger geräuschlos allerdings ging die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl in der Linkspartei ab. Ende September erklärten Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch selbstbewusst, dafür zwar zur Verfügung zu stehen, allerdings nur in ebendieser Konstellation und personell nicht erweitert. Damit brüskierten sie gezielt die beiden Parteivorstände Katja Kipping und Bernd Riexinger, denen das Vorschlagsrecht zusteht. Und es war der Beginn eines „Zickenkriegs“, an dem sich die Republik nun erbaut. Sie hätten die Bewerbungen zur Kenntnis genommen, ließ Kipping, die ebenfalls Ambitionen auf die Spitzenkandidatur hatte, dürr wissen.In der Partei nahm man den forschen Vorstoß des Fraktionsteams nicht überall begeistert auf. Die Vorsitzende der thüringischen Linkspartei, Susanne Hennig-Wellsow, hätte sich auch vorstellen können, mit einem Quartett ins Rennen zu gehen. Andere Landespolitiker stießen sich an der Selbstherrlichkeit, mit der Wagenknecht und Bartsch ihre „alternativlose“ Kandidatur bekannt gaben. Als „Erpressung“ oder „Kampfansage“ an die Parteichefs wurde das Vorpreschen des Duos kommentiert.Wäre es nach Bodo Ramelow gegangen, hätten die Parteimitglieder per Urwahl über das Spitzenteam entschieden, in „einem offenen Wettbewerb“, wie es die französischen Konservativen kürzlich vorgeführt haben. Doch zu so viel Demokratie konnte sich die Führung der Linkspartei wohl nicht durchringen, wie sie mit Transparenz überhaupt so ihre Schwierigkeiten hat. Als die rechts- und netzpolitische Sprecherin der Linken, Halina Wawzyniak, etwa anregte, Vorstandssitzungen künftig im Livestream zu übertragen, stieß sie bei der Parteispitze auf wenig Gegenliebe.Dass ohne Sahra Wagenknecht kein Wahlkampf zu machen ist, war in der Parteizentrale wohl unumstritten. Die mediale Frontfrau ist neben Gregor Gysi nicht nur die wortgewandteste und bekannteste Figur in der Linkspartei, sondern wäre wohl auch in der Lage, die linken Ränder der Partei einzuhegen, sollte es jemals zu ernsthaften rot-rot-grünen Koalitionsverhandlungen kommen. In der Koalitionsfrage selbst äußert sie sich allerdings ausweichend und schiebt immer wieder der „unbeweglichen“ SPD den schwarzen Peter zu. Wegen ihrer Haltung zur Flüchtlingsfrage hatte ihr Parteikollege Jan van Aken ihr im Sommer sogar den Rücktritt nahegelegt.Während Wagenknecht zähneknirschend mit ansehen muss, wie ein Teil der Protestwählerschaft zur AfD abwandert, und deshalb gerne auch mal populistische Töne anschlägt, würde Kipping lieber in grün-alternativen Gewässern fischen gehen. „Unser Ziel ist es“, schreibt sie auf Facebook, „verschiedene Milieus miteinander zu verbinden.“ Mit Bartsch, der wohl die engsten Kontakte zur SPD pflegt, verbindet sie der Wille zur Macht, allerdings ohne dass sie die Verbindung zur außerparlamentarischen Opposition verlieren will: „In Bewegung regieren“ nennt sie das.Am vergangenen Wochenende fand hinter geschlossenen Türen nun endlich der Showdown des seit Wochen schwelenden Personalgerangels statt. Im Bemühen, alte Fehler zu vermeiden – in den letzten Bundestagswahlkampf war die Linke mit acht Kandidaten gezogen – und dem öffentlichen Zank eine Ende zu setzen, einigte sich die Partei auf einen windelweichen Kompromiss, der Wagenknecht und Bartsch bei der Stange halten und der Parteispitze helfen sollte, das Gesicht zu wahren.Schlau und schlagkräftig?Es bleibt beim Spitzen-Duo, flankiert allerdings von einem „Spitzenteam“ namens Kipping und Riexinger, die den Wahlkampf und die Entscheidungen nach der Wahl mitbestimmen sollen. Das ist ein Punktsieg für die beiden Fraktionschefs und eine fragwürdige Lösung für die Partei, weil sie den Dauerkonflikt, der von den beiden Frauen verkörpert wird, nur vertagt. „Einen weisen Beschluss“ nannte es Parteichef Riexinger, „schlau und schlagkräftig“. Fragt sich nur, wer da am Ende wen schlägt. Dass Wagenknecht und Bartsch darauf verzichteten, mit dem „Spitzenteam“ vor die Kamera zu treten, um die „weise“ Entscheidung der Öffentlichkeit mitzuteilen, lässt – auch im Hinblick auf die etwas verkniffene Miene von Katja Kipping – nichts Gutes ahnen.Von einer tatsächlichen Machtoption ist die Partei, nachdem die SPD der Union Frank-Walter Steinmeier auf dem Tablett serviert hat wie ein Brautgeschenk, ohnehin weit entfernt. Insofern wird sich die Grätsche der Linkspartei darauf beschränken, wie sie sich zur AfD verhält und wo sie die Grenze zieht zu populistischen Positionen. Im noch nicht offiziell vorgestellten Wahlkampfprogramm ist zu lesen, dass sich die Linkspartei für „sichere Fluchtwege“ nach Europa starkmachen und die Flüchtlingsübereinkunft mit der Türkei aufkündigen will. Sahra Wagenknechts Auffassung von Gastrecht ist bekanntlich etwas rigider.
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