Bis vor kurzem gab es in der Wissenschaft, die sich an der technischen Reproduzierbarkeit des Menschen versucht, eine gut eingespielte und wohlfeile Arbeitsteilung: Der eine, kleine Teil machte die pressure group und inszenierte die Testfälle fürs globale Gewissen; die zweite, viel größere Gruppe segelte im Windschatten, gab sich seriös und gefiel sich gelegentlich sogar in der Rolle als Warner. Die ersteren, die Schmuddelkinder der Wissenschaft, konnten immer sicher sein, ein Höchstmaß an medialer Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, selbst dann, wenn sich das, was sie präsentierten, am Ende entweder als nicht verwertbar oder gar als getürkt erwies; den "Verrückten" wie der Ufo-Sekte Real oder den Geschäftemachern namens Antinori, Zavos oder Bosselier fiel die Aufgabe zu, die Grenzen der Zumutbarkeit auszuloten; den Seriösen blieb es überlassen, die vorgestellten "Tatsachen" auf ihre Machbarkeit und Gültigkeit zu überprüfen, die Fehlerdiagnose für die eigene Forschung zu optimieren und, nicht zuletzt, die Öffentlichkeit zu beruhigen: So schnell, hieß es dann, geht kein Klon durchs Nadelöhr der Wissenschaft.
Die Kehrseite von Open-Knowledge
Wenn nun aber dieser Tage die Rede von den beiden südkoreanischen Stammzellforschern Woo Suk-hwang und Shin Yong Moon die Rede ist, die den Weg des sogenannten therapeutischen Klonens ein gutes Stück weiter geebnet haben wollen, dann fehlt da nirgends der Hinweis darauf, es handele sich dieses Mal nicht um "Scharlatane", sondern um höchst integre Figuren. Um vorab jeden Verdacht zu zerstreuen, hatten sie ihren Auftritt unter das Dach der honorigen American Association for the Adavencement of Science in Seattle gelegt. Was sie dort annoncierten, erklärt die Wissenschaftsgemeinde unisono als - wenn auch keineswegs überraschenden - "Durchbruch": Ihnen sei es erstmals erfolgreich gelungen, durch das Klonverfahren embryonale Stammzellen zu gewinnen; im Unterschied zu der amerikanischen Forschungsgruppe, die Ende 2001 mit einer ähnlichen Nachricht den Weihnachtsfrieden störte, kamen die Koreaner über das erste Stadium, bei dem eine Eizelle entkernt und durch den Zellkern einer fremden Körperzelle ersetzt wird, hinaus. Aus der geklonten Zelle entstanden tatsächlich jene totipotenten Blastozysten, die benötigt werden, um - perspektivisch - verschiedene transplantierbare Zelltypen zu entwickeln. Patienten mit Multipler Sklerose oder Parkinsonkranken, so die medizinische Hoffnung, könnte durch diesen Zellersatz geholfen werden. Die bei diesem Verfahren entwickelten Embryonen allerdings werden vernichtet, einer der Gründe, weshalb das therapeutische Klonen nicht nur medizinisch, sondern auch ethisch umstritten ist.
Was selbst Wissenschaftler wie den Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Ernst-Ludwig Winnacker, aufstört, ist nicht in erster Linie die rasende Schnelligkeit, mit der sich die Klonexperimente wiederholen und im trial-and-error-Verfahren offenbar deutliche Erfolge zeitigen, sondern die Tatsache, dass die reinliche Scheidung in "gutes" und "böses" Klonen immer theoretischer wird. Von Hause aus selbst Genforscher, wies er in der FAZ kürzlich darauf hin, dass das in Seoul hergestellte "Produkt" auch dazu benutzt werden könnte, einen neuen Menschen herzustellen. Die "gute" therapeutische Absicht entlastet nicht von der Verantwortung, dass das Forschungsergebnis auch missbraucht werden kann. Dies um so mehr, als dass das Wissen darüber öffentlich zugänglich ist - dies ist die bedenkenswerte Kehrseite der Open-Knowledge-Bewegung (vgl. Freitag vom 6.2.2004). Die mediale Inszenierung der Sensation verdankte sich nicht zuletzt dem Umstand, dass die beiden Forscher ihre Erfolge, zeitgleich mit der Pressekonferenz, in der Internet-Ausgabe von Science präsentierten und weltweit verfügbar machten.
Menschen und Züchter
Wer also skrupellos genug ist und über die nötigen Kenntnisse verfügt, kann - mit welchen Ergebnissen auch immer - den Versuch machen, Menschen zu klonen, das - im Unterschied zu Großtechnologien - geringer technischer und logistischer Voraussetzungen bedarf. Die übrigen werden diesen einen, aussichtsreich erscheinenden Weg des therapeutischen Klonens weiter gehen, jedenfalls darf man das aus der Stellungnahme des derzeit noch in Amerika arbeitenden Klonforschers Rudolf Jänisch ableiten, der demnächst repatriieren und das Max Planck Institut für vaskuläre Medizin in Münster übernehmen wird. Ihn schrecken weder die bislang gar nicht absehbaren medizinischen Unwägbarkeiten des Klon-Transfers für Patienten - zum Beispiel die Risiken unkontrollierten Zellwachstums (Tumorgefahr) und die gesundheitlichen Defekte, die geklonte Tiere bislang aufweisen -, noch die Tatsache, dass auch die Koreaner immerhin 242 Eizellen von 16 Spenderinnen verwursten und 30 Embryonen vernichten mussten, bis sie eine einzige erfolgreiche Zelllinie züchten konnten. In dieser Sache richtet sich Jänischs Hoffnung auf den deutschen Kollegen Hans Schöler, der in den USA derzeit damit beschäftigt ist, funktionsfähige Eizellen von Mäusen zu züchten. Ließe sich dies industriell mit menschlichen Eiern betreiben, wäre das Argument Eizellspende, das den Klonbefürwortern entgegengehalten wird, vom Tisch.
Der unappetitliche Beigeschmack, der sich bei dieser Terminologie einstellen mag, ist nicht der Verfasserin dieser Zeilen anzulasten: Die in den Laboren der Tierforscher erprobte "Zucht" von menschlichem Gewebe aller Art gehört zum gängigen, völlig unreflektierten rhetorischen Repertoire der Molekularbiologen, die davon träumen, dass der Gewebeersatz einmal genauso "normal" sein wird wie heute die Organspende. Wahrscheinlich kommen bei ihnen die professionellen Mahner auch gar nicht mehr an; wer gelegentlich entsprechende Runden verfolgt, bei denen sich Naturwissenschaftler und (geisteswissenschaftlich "getextete") Ethiker austauschen sollen, bekommt eine Ahnung vom moralischen und sprachlichen gap, der die Kontrahenten trennt.
Wann kommt der" Klon als Schaden"?
Die Frage ist, ob wir heute an dieser Stelle Klonexperimente verhandeln müssten, wenn sich die UNO frühzeitig zu einem umfassenden weltweiten Klonverbot hätte durchringen können. Die einen behaupten, die Weltgemeinschaft habe in den letzten Jahren wertvolle Zeit verspielt, indem sie über therapeutisches versus reproduktives Klonen gestritten habe. Der Erfolg der Koreaner zeitige hohen Handlungsbedarf, weil zu befürchten sei, dass es demnächst eben doch einem "Verrückten" gelinge, ein Klonbaby zu produzieren. Aber was nützt das Verbot des reproduktiven Klonens, so lange in den seriösen Labors die "Zwischenprodukte" hergestellt werden? Und, so die andere Seite, jetzt, wo das erste menschliche Klonexperiment offenbar technisch gelungen sei, werde sich die Völkergemeinschaft überhaupt nicht mehr auf ein umfassendes Klonverbot verständigen können.
Traurig recht behalten wohl beide Seiten. Die Defizite im politischen Management sind unübersehbar. Ebenfalls die Defizite einer reflexionsunfähigen und unter Zeit- und Konkurrenzdruck arbeitenden Wissenschaft. Vielleicht braucht es ja wirklich erst einen Schadens-Klon. Versicherungsrechtlich zum "Kind als Schaden" objektiviert, könnte es für die verantwortlichen Forscher und Firmen zum Erweckungserlebnis werden. Schrecklich genug, dass erst haftungsrechtliche Regelungen, wie das Beispiel grüne Gentech zeigt, die Welt vor Schaden bewahrt.
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