Popeln, Spucken, Blasen. Kinder lieben das. Für Pädagog:innen ein No-Go und normalerweise interventionsbedürftig. Jetzt hocken sie zusammen in der Schule, üben das medizinisch angeleitete Bohren und Spucken, und wenn die französischen Wissenschaftler:innen, die derzeit an einem neuen Corona-Test arbeiten, Erfolg haben, auch Letzteres. Man bläst in ein Rohr, das mit einem Gerät in der Größe eines Kühlschranks verbunden ist, die ausgetretenen Moleküle werden massenspektroskopisch untersucht und das Ergebnis wird schnell ausgeworfen. „Covidair“ könnte möglicherweise den herkömmlichen, teuren PCR-Test ersetzen.
Schule war von jeher das Experimentierfeld ambitionierter Kultuspolitiker:innen. Aber das, was derzeit gerade abläuft in den 13 von 16 Bundesländern, die das Testen verpflichtend eingeführt haben, hat nichts mit forcierter Reformpädagogik zu tun, sondern mit dem Horror Vacui entleerter Schulflächen, die nun endlich wieder befüllt werden sollen mittels Popeln und Spucken. Dem einsamen Osterspaziergang entronnen, kehrt ein Teil der Schüler:innen in ihre Klassenräume zurück und erlebt, wie sie seitens der Lehrerschaft oder Eltern zum Objekt gemacht werden, immer natürlich zu ihrem Besten.
Dass die Rückkehr zum Präsenzunterricht wünschenswert und notwendig ist, steht außer Zweifel. Neuere Erhebungen zeigen, dass 39 Prozent der Schüler:innen höchstens einmal pro Woche Videounterricht hat, 18 Prozent gehen leer aus. Doch nun hat die Testpflicht an den Schulen eine Klageflut ausgelöst, in Nordrhein-Westfalen und Thüringen wollen Eltern verhindern, dass ihr Kind dort mit dem Wattestäbchen traktiert wird. In Berlin wiederum verweigern Lehrkräfte das Testen, wegen des Zeitaufwands, weil sie sich dazu gar nicht befugt oder auch fähig fühlen oder weil sie Angst haben, denn noch immer sind nicht alle geimpft. Gefordert werden externe geschulte Testpersonen.
Unklar ist auch, was mit positiv getesteten kleineren Kindern passiert, die nicht alleine nach Hause geschickt werden können. Diskriminierungsbefürchtungen machen sich breit, aus Schleswig-Holstein und Bayern heißt es, corona-positive Kinder fühlten sich gemobbt.
Andererseits geben viele Pädagog:innen und auch Elternvertretungen zu bedenken, dass ein an der Schule durchgeführter Test mehr Sicherheit bringt, gerade an Brennpunktschulen, wo nicht davon ausgegangen werden kann, dass regelmäßig zu Hause getestet wird. An der Testpflicht wird einmal mehr das soziale Gefälle deutlich zwischen durchsetzungsfähigen Eltern, die ihre Kinder um jeden Preis vor Zugriffen schützen wollen, und Kindern aus Haushalten, die in der Pandemie mit vielen anderen Problemen zu kämpfen haben.
Wenn das bundesweite Infektionsschutzgesetz in Kraft tritt, das vorsieht, bei einer – willkürlich gewählten – Inzidenz von 165 die Schulen wieder zu schließen, könnte sich die ganze Aufregung ohnehin schnell legen. Eine weitsichtige Schulpolitik, mahnen Wissenschaftler:innen im demnächst erscheinenden Buch Schule weiter denken an, müsste aber bereits jetzt die Weichen stellen für die Zeit nach Corona durch zusätzliche Angebote, um Rückstände zu kompensieren. Wir dürfen uns nicht gewöhnen an die vertieften Bildungsungerechtigkeiten, sondern müssen die Pandemie zum Anlass nehmen, die strukturellen Defizite in der Bildungspolitik in Angriff zu nehmen. Sonst bleibt sie einfach nur popelig.
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