Ein Fait accompli bedeutet, eine unumstößliche vollendete Tatsache zu schaffen. Der existenziellste Fait accompli ist der Tod. Rund hundert Mal jährlich schafft die Sterbehilfefirma Dignitas, die auch mit deutschen Kunden einen schwunghaften und lukrativen Sterbehilfetourismus in die Schweiz unterhält, solche Tatsachen. Am Wochenende kündigte Dignitas-Betreiber Ludwig Minelli in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel an, er wolle die "kaltschnäuzige Haltung" der deutschen Justizministerin Zypries gegenüber Sterbewilligen herausfordern und einen Präzedenzfall schaffen, der sie dazu zwinge, den begleiteten Freitod unter "menschenwürdigen Bedingungen" gesetzlich zu regeln. Bislang kann Beihilfe zum Suizid wegen unterlassener Hilfeleistung strafrechtlich verfolgt werden. Selbstmörder heraus, schafft Tatsachen! Die Geschichte kennt viele Fälle, wo sich politisch verzweifelte Menschen öffentlich verbrennen oder anderweitig töten, um Aufsehen zu erregen oder Druck auszuüben; neuerdings durch Selbstmordattentate. Als Unternehmeridee ist das neu. Man darf gespannt sein, ob sich die Politik von diesen geschäftsmäßigen "tödlichen Tatsachen" beeindrucken lässt.
Fait accompli
Geschrieben von
Ulrike Baureithel
Redakteurin (FM)
Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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