Fehlgestartete Selbstkontrolle

Netzhetze Seit Anfang dieses Jahres löscht Facebook offiziell volksverhetzende Kommentare von Deutschland aus. Bilanz? Der Kampf gegen den Hass zündet einfach nicht
Ausgabe 15/2016
Mangelhaft. Die freiwillige Selbstkontrolle funktioniert nicht
Mangelhaft. Die freiwillige Selbstkontrolle funktioniert nicht

Foto: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Man kann einiges unternehmen gegen Hass und rechte Gewalt: demonstrieren zum Beispiel – oder, wie die Hooligans gegen Satzbau (HoGeSatzbau), sich lustig machen über die Dummheit und Dumpfheit der Brandstifter in den sozialen Netzwerken. Aus Ärger über die legasthenische Verhunzung der deutschen Sprache begann die „Initiative gegen Rechts-Schreibung“, rechte Posts satirisch zu überhöhen, um eine Auseinandersetzung damit zu provozieren.

Provoziert fühlte sich vorerst aber nur Facebook, das wiederholt Sperrungen gegen HoGeSatzbau verhängte, etwa wegen des Posts „Volksfahrräder“ (ironisch für das sächsisch ausgesprochene Wort „Volksverräter“). In diesem Fall zeigte sich die Plattform erheblich diensteifriger als bei den massenhaften rechten Hass- und Gewaltbotschaften, die ansonsten dort abgesetzt werden.

Seit Anfang dieses Jahres löscht Facebook offiziell volksverhetzende Kommentare von Deutschland aus. Eine dreistellige Zahl von Mitarbeitern in Berlin, nicht nur deutsche Muttersprachler, sondern auch solche, die firm in Arabisch, Türkisch und den gängigen europäischen Sprachen sind, durchforsten jetzt die Plattform, nachdem es Facebook auf anderem Wege nicht gelungen war, gemeldete Posts binnen 24 Stunden zu entfernen. Vorausgegangen war im vergangenen Herbst eine Vereinbarung zwischen Bundesjustizminister Heiko Maas und dem deutschen Facebook-Vertreter des Konzerns, die zumindest das Beschwerdemanagement verbessern sollte.

Doch so richtig funktioniert die freiwillige Selbstkontrolle nicht. Auf eine gelöschte Hate-Speech wachsen drei neue nach, auch weil die Löschung allein keine abschreckende Wirkung hat. Strafrechtliche Konsequenzen hatten die Verursacher bisher nicht zu fürchten. Heiko Maas wies nun darauf hin, dass Facebook immer noch zu langsam auf rassistische Posts reagiere. Die Plattform sei aber verpflichtet, strafbare Inhalte schnell aus dem Netz zu nehmen, sonst würde das Unternehmen irgendwann „in Konflikt mit dem Gesetz“ kommen. Und er sagte: „Auch die Justiz muss der Hasskriminalität im Netz etwas entgegensetzen.“

Aber was? Ein Vorstoß des EU-Kommissars für Digitales, Günther Oettinger, sieht vor, Facebook & Co. haftbar zu machen für die verbreiteten Inhalte. Dafür will er eine entsprechende Richtlinie für audiovisuelle Medien auf soziale Netzwerke ausweiten. Gegen diese Maßnahme sprechen aber Urteile, nach denen eine Plattform erst dann für ihre Inhalte verantwortlich gemacht wer-den kann, wenn sie davon Kenntnis hat. Eine radikale Lösung schlägt der Ex-Pirat Christopher Lauer vor: ein Verbot von Internetdiensten, die sich nicht an hiesiges Recht halten. Da Facebook und Google Deutschland gerade wieder als ein profitables Geschäftsfeld benannt haben, wäre das für sie eine besonders schmerzhafte Sanktion.

Mit Verboten gegen Hasskriminalität vorzugehen, das kann, wie der Fall Böhmermann oder eben auch HoGeSatzbau zeigt, die Falschen treffen und Eingriffe in die Meinungsfreiheit mit sich bringen. Solange Aufrufe zu Hass und Gewalt nicht mit der persönlichen Verfolgung der Täter einhergehen, mit einem konsequenteren Agieren von Polizei und Staatsanwaltschaften, lachen die sich schlapp über den zahnlosen Tiger im Irrgang des weiten Netzes. Und das Problem sind ja nicht in erster Linie die hasserfüllten, gewaltbereiten Überzeugungstäter, sondern der mit Ressentiments gedüngte Boden, auf den ihre Botschaften fallen.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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