Nun ist er vom Deich gestiegen, der Graf. Übergibt die Schaufel anderen, die Sand aufschütten an Oder und Elbe oder den Sand aus dem Berliner Flughafengetriebe räumen. Ein Deichgraf ist nun mal kein Luftschiffer. Es war zu viel. Und es war absehbar. Entweder risikoreich weitermachen oder die Signale des Körpers ernst nehmen und die Notbremse ziehen. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck hat mit seinem Rücktritt – wie schon 2006, als er aus gesundheitlichen Gründen den SPD-Vorsitz aufgab – vernünftig entschieden. Der Mensch kommt vor dem Amt.
Work-Life-Balance gehört nicht zu den herausragenden Fähigkeiten von Spitzenpolitikern. Das Arbeitspensum, der öffentliche Druck, die mediale Präsenz und auch die persönliche Korrumpierbarkeit prädestinieren diese Berufsgruppe für vorzeitige Gesundheitsattacken und Burn-outs. Wer im Amt aufgeht und kaum Ausgleich hat, ist nicht nur besonders gefährdet, sondern dem fällt es auch schwer aufzuhören. Das gilt selbst für die, die wie Horst Seehofer schon mal knapp dem Tod entronnen sind und viel kürzer treten wollten. Bekanntlich verfiel auch er wieder dem Sog der Politbühne. Ein anderer, Wolfgang Bosbach von der Union, tanzt ganz bewusst mit Gevatter Tod.
Die Verschleißmaschine
Dabei wäre es doch gerade an der Politik, vorzuführen, dass Leben mehr ist als Arbeit. Dass man der Verschleißmaschine ein Schnippchen schlagen kann und dass der 80-Stunden-Job, dem Platzeck nicht mehr gewachsen schien, kein Naturereignis ist. Dass Kinder nicht nur fürs Pressefoto taugen, sondern auch die Stressschaukel bremsen. Aber wer sich, wie beispielsweise Frauenministerin Kristina Schröder, bewusst Abend- und Wochenendterminen entzieht, wird gemobbt.
So erscheint die Krise der repräsentativen Demokratie auch als eine Krise des Politikerberufs. Sie hat viele Ursachen, eine davon ist der rasante Verschleiß. Der erst 59-jährige Platzeck, der in den achtziger Jahren als DDR-Umweltaktivist in die Grüne Liga und später zur SPD fand, hat ihn zu spüren bekommen. Für Brandenburg ist der Rücktritt ein herber Verlust, weil Platzeck dem Land ein Gesicht gab, wenn schon keine blühenden Landschaften.
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