Sie sind noch einmal davongekommen. Sie haben den Ball ins rote Lager gespielt und überlassen es der SPD, an der Torhüterin Merkel vorbeizukommen. Jetzt spielen die Grünen nicht Regierung, sondern kleinste Opposition. Ihre Katerstimmung erinnert an 1990, als die Geschichte im Galopp über die Partei ging, die West-Grünen den Einzug in den Bundestag verpassten und dies sie zu einer Neupositionierung zwang. Damit begann der Aufstieg der sogenannten Realos, die nun mit der in den Erwartungshorizont gerückten Koalitionsoption nach rechts ein vorläufiges Etappenziel erreicht haben.
Noch ist es nicht so weit. Zunächst ist eine Frontbegradigung in den eigenen Reihen nötig, die letzten Vertreter aus der Gründergeneration, Claudia Roth, Renate Künast und Jürgen Trittin mussten die Ämter abgeben. Nun rückt eine moderate Mitte nach, eine in den sechziger Jahren geborene Frauengeneration, die im Hinblick auf Gleichberechtigung zwar eindeutig Erbin der Aufbruchgeneration ist, deren spezifische politische Streitkultur sie jedoch abgestreift hat – unabhängig davon, ob ihre Repräsentantinnen eher dem linken oder dem realpolitischen Lager zuzurechnen sind. Wobei sich diese Lager seit den neunziger Jahren ohnehin unaufhaltsam zur Mitte hin verschieben.
Im Schatten der Altgrünen
Die im Jamaika-Bündnis eingeübte, ehemalige saarländische Umwelt- und Energieministerin Simone Peter, die in einer bemerkenswert konzertierten Aktion des linken Flügels der Grünen aufs Schild gehoben wurde, hat sich und die Partei vorauseilend in der „linken Mitte“ positioniert. Sie wolle „Ökologie und Ökonomie versöhnen“, indem man etwa die Strompreise sozial so gestalte, „dass die Unternehmen mitmachen.“ Dass konsequente ökologische Wirtschaft mit der Wachstumsökonomie von Konzernen unvereinbar ist; dass Gerechtigkeit dort an ihre immanenten Grenzen stößt, wo sie den reibungslosen Umschlag von Menschen und Waren stört, scheint im grünen Selbstverständnis vergessen zu sein.
Sekundiert vom überlebenden Duo Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt und angetrieben von offen wirtschaftsliberalen Politikerinnen wie Kerstin Andreae wird Peter im langen Schatten der Altgrünen und im Windschatten der Realpolitiker zunächst ein politisches Interim in der parlamentarischen Durstzone zu verwalten haben.
Ob die Partei die vakant gewordene liberale Position, ökologisch und sozial etwas aufgerüstet, besetzen oder eher ihre wertkonservativen Wurzeln stärken wird, um die Anschlussfähigkeit an die Union zu erhöhen, ist derzeit noch nicht abzusehen. Mit der moderaten Britta Haßelmann als neue parlamentarische Geschäftsführerin haben sich die Grünen jedenfalls eine Frau an Bord geholt, die sich an einem wesentlichen Punkt mit einer Kerstin Andreae trifft: Nicht nur die wirtschaftsfreundliche Volkswirtschaftlerin, sondern auch die bundespolitisch in Sachen bürgerschaftlichem Engagement her-vorgetretene ehemalige Sozialarbeiterin Haßelmann wollen beide weniger Staat.
Die Kinderladenbewegung der 68er wollte jedenfalls etwas völlig anderes, als die Kinderläden und freien Schulen, die Andreae als Beispiel ins Feld führt. Aber das wissen offenbar nur noch Frauen wie Roth oder Künast.
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