Her mit der Verantwortungsgemeinschaft!

Familie Die FDP scheut sich, eine eigentlich gute Idee zu Ende zu denken
Ausgabe 16/2019

Am Ende wurde ja aus FDP und Grünen 2017 dann doch keine „Verantwortungsgemeinschaft“. Überzeugend „wahlverwandt“ traten die beiden in den legendär gescheiterten Koalitionsverhandlungen nicht auf.

Nun bringt die Bundestagsfraktion der FDP ein Papier in Umlauf, in dem von „Wahlverwandtschaften“ die Rede ist: Gemeint sind Beziehungen zwischen Generationen, enge Freunde oder Paare, die nicht verehelicht oder verpartnert sind, doch so eng verbunden, dass sie in der einen oder anderen Weise füreinander da sein wollen. „Es ist an der Zeit, dass das Gesetz neben Ehe und Verwandtschaftsverhältnis weitere Modelle zur Verfügung stellt, Verantwortung füreinander zu übernehmen“, schreibt die FDP; „Verantwortungsgemeinschaft“ nennt sich das Konstrukt, es soll nicht auf zwei Personen beschränkt sein, auf dem Standesamt dokumentiert und jederzeit gekündigt werden können. Das Modell wird abgestuft gedacht, vom Auskunfts- und Vertretungsrecht, wenn etwa Partner im Falle von Krankheit einander pflegen oder finanziell absichern wollen, bis zur Zugewinngemeinschaft.

Bevor beim Begriff Gemeinschaft nun ideologiekritische Reflexe in Stellung gebracht werden, das sozialpolitische Unding der Bedarfsgemeinschaft aufgerufen wird oder das Lästern über die Partei losgeht, die das individuelle Ellenbogenprinzip preist: be quiet! Es stimmt doch, dass sich unsere lebensweltlichen Beziehungen verändert haben: Ehen werden nicht mehr fürs Leben geschlossen, wir leben länger, ziehen ins Mehrgenerationenhaus, einstige politische Kombattanten retten ihre WG bis ins Alter oder experimentieren neu damit, ein schwules und ein lesbisches Paar kümmern sich um ein gemeinsames Kind – die Konstellationen sind so vielfältig wie unsere heutige soziale Wirklichkeit.

Ist es gerecht, dass sich eine junge Frau um eine ältere kümmert, die Pflege aber weder auf dem Rentenkonto noch anderweitig zu Buche schlägt? Dass enge Freunde, die sich bedenken, den Spitzensatz an Erbschaftsteuer zahlen müssen? Dass ein aus welchen Gründen auch immer unverheiratetes Paar sich finanziell zwar unterstützt, beim Ehegattensplitting aber leer ausgeht?

Halt, nein, so viel Revolution ist nun doch nicht mit der FDP zu machen! Die Familie ist weiter „Keimzelle der Gesellschaft“ und an der Ehe – und ihrem privilegierten Status – mögen die Liberalen nicht rütteln. Er wolle aus der Verantwortungsgemeinschaft kein Steuersparmodell machen, bekräftigt der familienpolitische Sprecher und Chef der Bayern-FDP, Daniel Föst, und auf keinen Fall ein Konkurrenzkonstrukt zur Ehe.

Scheibenkleister, wieder nichts mit einem nachhaltigen Beschuss auf dieses Institut. Wäre ja noch schöner, wo die Ehe für alle nun als Endziel lesbisch-schwuler Idealität ins Ziel gegangen ist.Deshalb sollte man das Papier der FDP doch auch nach Zielen durchforsten, die mit dem ihr eigenen Kummer über den ausufernden Sozialstaat zu tun haben, trotz all ihrer Aufgeschlossenheit für offene Beziehungen: „Die gegenseitige Übernahme von Verantwortung entlastet auch den Staat, insbesondere auch bei den sozialen Sicherungssystemen.“ Nur „auch“? Oder eher: vor allem?

Geschenkt. Vielleicht geht es der FDP ja bei all dem gar nicht so sehr um uns. Die Grünen hatten noch vor der Wahl 2017 die Idee eines „Pakts für das Zusammenleben“ (PaZ) ins Spiel gebracht, abgeguckt von Frankreich, wo der „Pacte Civil de Solidarité“ seit 1999 existiert. Manchmal soll nach einem Liebes-Aus eine neue Hochzeit blühen, grün-gelb, diesmal mit ehelichem Brief und Siegel.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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