Es handelt sich zwar um das kleinste Bundesland der Republik, doch manche sehen es schon gülden am gesamtdeutschen Horizont aufsteigen, das R2G-Bündnis. Arithmetisch wäre es bereits in der vorigen Legislaturperiode möglich gewesen, aber ach, die Genossen! Nun sieht sich die einst stolze SPD so in den Boden getreten, dass sie sogar nach dem roten Strick aus dem Karl-Liebknecht-Haus greift, um die 70-jährige sozialdemokratische Regierungstradition in Bremen leichenblass zu verlängern. Und unter der Noch-Mitwirkung des Regierenden Bürgermeisters Carsten Sieling haben es die Koalitionäre sogar geschafft, ihre Verhandlungen völlig lautlos und ohne hektische Balkonszenen über die Bühne zu bekommen. Backstage sozusagen.
Nun liegt er vor, der rot-grün-rote Koalitionsvertrag, und er ist ungefähr so, wie man ihn sich unter der ächzenden Last von 20 Milliarden Euro Schulden und dem Spagat zwischen drei doch recht unterschiedlichen Parteien erwarten darf. Eines vorweg: Sensationell oder gar revolutionär ist er nicht. Viel Papier hält her für die Themen Kinderbetreuung, Schulen und Bildung, aber alles in gemäßigtem Rahmen: mehr Kita-Plätze, flexiblere Öffnungszeiten, mehr Personal und an die maroden Schulbauten will der Senat auch ran. Auch im sozialpolitischen Bereich gibt es Angebote, etwa ein Arbeitsmarktprogramm für Alleinerziehende und eines, das die Integration von Migranten erleichtert.
Freuen dürfte sich der Berliner Senat, denn auch Bremen will prüfen, ob der Mietendeckel ein geeignetes Instrument gegen den Mietenanstieg ist: „kann in Betracht kommen“, so steht es im Vertrag. Neben dem Bau von Sozialwohnungen soll genossenschaftliches Eigentum gefördert werden und Familien mit Kindern erhalten, wenn sie Grund erwerben, einen Landeszuschuss. Dass die Grünen die Hauptautorschaft bei diesem Vertragswerk übernommen haben, ist unübersehbar in den Abschnitten, in denen es um Klimaschutz und Verkehr geht. Zwar konnten sich die Vertragspartner nicht schlicht auf den Nulltarif im Öffentlichen Nahverkehr einigen, doch es soll eine Machbarkeitsstudie zu den verschiedenen Modellen geben. Die vielleicht brisanteste Ansage des Koalitionsvertrags ist die Erklärung, Bremens Innenstadt bis 2030 autofrei zu machen.
Wollen, sollen, können: Dabei ist schon mancher vom Baum gefallen. Davon abgesehen spürt man die Zurückhaltung, die der Industriestandort Bremen mit Auto- und Stahlindustrie und seinen Werften den politischen Akteuren auferlegt. Die Versicherung, ihnen „verlässlicher Partner“ bleiben zu wollen, klingt durch. Andererseits ist es aber vielleicht gar nicht so dumm, die süßesten Kirschen auf dem Baum zu lassen und Hausmannskost zu servieren.
Der Spielraum ist in Bremen auch nach dem veränderten Länderfinanzausgleich gering, und die „Haushaltsverhandlungen“, so Hermann Kuhn, der Landesvorstandssprecher der Grünen, „werden die zweiten Koalitionsverhandlungen“. Skeptisch ist er auch, ob das Bremer Modell auf den Bund ausstrahlen könne.
Dass die Linke nun aber erstmals in einem westdeutschen Bundesland mitregiert, könnte Signalcharakter haben. Bei einer Geräuschlosigkeit wie bei den Koalitionsverhandlungen wird zwar sicher keine Revolution daraus, aber vielleicht ein Prestigegewinn. Und mit Carsten Sielings Verzicht auf das Bürgermeisteramt ist die SPD einen weiteren Loser losgeworden. Aufbruch, Aufbruch!, skandiert sie, noch im Dunkeln.
Kommentare 2
So gelesen und verstanden, kann man den Beginn in Bremen als einen besonnen Start akzeptieren!
Eigentlich auch als das, wonach immer gerufen und den bösen Linken Politikern immer abgesprochen wird, ganz gleich wie die Sachlage ist, ob zu viel oder zu wenig angesagt oder versprochen wird.
Möglich, dass Frau Merkel lernen könnte, dass auch 3er-Koalitonen mit Vernunft zusammen arbeiten können, wenn das gemeinsame Ziel stimmt.
Gut, dass es keine Revolte gab. Es wird, wie in allen Parteien nicht nur eine Meinung geben können, aber mit gebührender Akzeptanz ohne Bissigkeit annehmbare Kompromisse erreicht werden. Das kann in Bremen ein realisierbarer Wunsch sein.
War überrascht, daß diese Koalition steht und nun bleibt abzuwarten, was so geht in einem Bundesland, was verschuldet ist auf Teufel komm raus.Mich stimmt es optimistisch, daß mit dieser Koalition wohl eher verhindert wird ,,Tafelsilber`` zu verhökern weil Schulden und es Berlin nachzumachen siehe Neue Wohnen.Und Schutzschilde für sogenannte prekär Beschäftigte werden so möglich.Ich bin gespannt.