Spät krümmt sich in Deutschland, wer einmal Professor werden will. Wer das Studium erfolgreich absolviert, die lange Durststrecke Promotion, ein, zwei Jahre Postdoc-Phase hinter sich gebracht und sich als Verfasser von Antragsprosa profiliert hat, darf bislang - wenn er Glück hat - auf einer sogenannten C 1-Stelle beweisen, dass er professorale Weisungen auszuführen imstande ist und allseits bereit, die Lehraufgaben des Lehrstuhlinhabers zu übernehmen, wenn dieser auf sogenannten Vortragsreisen die U-Bahn in Tokyo oder das New Yorker Nachtleben erkundet. Zwar besitzt der sogenannte Hochschulassistent das Recht, lästige Zwischenprüfungen abzunehmen, muss seinen Dienstherrn jedoch um Erlaubnis bitten, wenn er für die Universität Drittmittel einzuwerben beabsichtigt. Wörtlich in Dienst gestellt, soll das arme Schwein darüber hinaus ein weiteres Mal vorführen, dass er zu wissenschaftlicher Arbeit befähigt ist, was für Geisteswissenschaftler bedeutet, durchschnittlich acht Jahre lang ein sogenanntes Forschungsdesiderat zu beackern, für Naturwissenschaftler den Laborhengst zu spielen. Mit der Habilitation erwirbt sich der mittlerweile über Vierzigjährige die humanistisch verbrämte venia legendi, auf deutsch das Recht, für ein Almosen vor studentischem Publikum den Entertainer zu mimen. Nach weiteren zehn Jahren, mit 52, und ausgelaugt von der steten Pflicht zur Kür, gibt ihm der Dienstherr dann den beamtenrechtlichen Abschied: Zu spät gekommen, mein Lieber.
Wenn allerdings die Pläne von Bildungsministerin Bulmahn (SPD) realisiert werden sollten, hat die dienstrechtliche Zwangsgemeinschaft zwischen Prof und Assi bald ein Ende. Bestrebt, künftige Wissenschaftler möglichst schnell und billig durch den Qualifikationstunnel zu schleusen, erwägen Bulmahn und ihre Fachkommission, der der Präsident der Berliner Humboldt-Universität Meyer vorsitzt, die Habilitation als Qualifikationsengpass abzuschaffen. Stattdessen sollen sogenannte Juniorprofessuren eingerichtet werden, für die sich Nachwuchswissenschaftler nach der Promotion, die künftig nicht länger als drei Jahre in Anspruch nehmen soll, bewerben können. Die auf sechs Jahre befristeten Stellen werden, so ist geplant, per Internet international ausgeschrieben.
Die Kommission, der neben Fachleuten aus Wissenschaft und Politik auch Verbands- und Gewerkschaftsvertreter angehören, verspricht sich von dieser Reform, dass das Eintrittsalter von Professoren in der Bundesrepublik drastisch gesenkt wird. Wie schon der B.A. und Master-Abschluss zielt die Abschaffung der Habilitation darauf ab, den Wissenschaftsolymp möglichst ohne Umwege zu erreichen: Studentische Weltbildung in Form von langen "nutzlosen" Reisen ist da so wenig vorgesehen, wie die Jobberei oder gar eine praktische Ausbildung vor Beginn des Studiums, das nach den Vorstellungen der Bildungsministerin mit 25 Jahren abgeschlossen sein soll. Tatsächlich drängt die Zeit, denn in den nächsten acht Jahren geht die Hälfte der deutschen Hochschullehrer in Pension.
Finanziert werden sollen die Juniorprofessuren aus Mitteln, die im Rahmen der Reform des Hochschuldienstrechts gewonnen werden. Zur Disposition steht nämlich nicht nur die Habilitation, sondern auch die Dienstbezüge der Hochschulprofessoren, insbesondere die Altersgratifikation. Die Besoldungsgruppen nach Altersstufen sollen einem einheitlichen Grundgehalt (Universitätsprofessoren 8 300 Mark, Fachhochschulprofessoren 7000 Mark) weichen, das je nach Leistung in Forschung und Lehre mit Zuschlägen angehoben wird. Alle sieben Jahre soll die professorale Leistung überprüft und neu bewertet werden.
Nicht durchgesetzt haben sich bei diesen Plänen also die Fachhochschulen mit ihrer Forderung einer einheitlichen Grundvergütung für alle Professoren. Der Deutsche Hochschulverband polemisiert gegen die "Billigprofessuren" der Junioren, während die Gewerkschaften ein neues Dienstrecht - allerdings mit einem einheitlichen Grundgehalt für alle Hochschullehrer - begrüßen. Ob die Reform - die, nebenbei, auch Frauen, die oft aus familiären Gründen die Tortur der Habil scheuen, zugute käme - den Standesdünkel schleift und realisiert wird, bleibt abzuwarten. Wie sagte doch kürzlich der ehemalige Rektor der Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, Hans N. Weiler: Reformbereite Professoren seien so häufig wie gute Hexen im Märchen. Und "die wahren Herrscher über die deutsche Hochschulpolitik sind Märchenerzähler."
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