Onkel Dagobert ist auf Erfolgskurs. Neue Pfründe locken, seinen sagenhaften Reichtum zu vermehren, »um Gentechnik« geht es, belehrt er seinen Neffen Donald in einem neuen Micky-Maus-Heft, denn »daran kommt man heutigentags nicht mehr vorbei.« Dagoberts Einstieg in die Genfood-Branche zeitigt allerdings ungeahnte Folgen: Eine der gentechnologisch veränderten Tomaten mutiert und entwickelt Killerinstinkte, die Entenhausen bedrohen. Am Ende wird Dagobert in »Produkthaftung« genommen und zur eigenhändigen Beseitigung der Schäden verurteilt.
Wenn ein Stoff einmal publizistische Niederungen wie Micky-Maus-Comics erreicht, kann man davon ausgehen, dass das Thema in den gesellschaftlichen Bodensatz eingedrungen ist. Die Story vom »gierigen Gemüse«, das für Dagobert Geld machen soll und schließlich auf ihn »zurückschlägt«, profanisiert den Mythos vom Zauberlehrling und bezeugt aktuelle Hoffnungen und Ängste, die sich mit der biotechnologischen Entwicklung verbinden.
65 Prozent der Bundesbürger, so eine neuere Umfrage aus Allensbach, würden, wenn sich daraus Prognosen für zukünftige Krankheiten ableiten ließen, lieber keinen Gentest machen lassen. Die Angst vor dem Wissen, mit dem man alleine bleibt, ist offenbar so groß, dass das Nichtwissen vorgezogen wird. In der gleichen Umfrage allerdings bekunden 79 Prozent der Befragten, dass sie als zukünftige Eltern vor der Geburt eines Kindes mit gentechnischen Diagnosemethoden Erbkrankheiten ausschließen möchten.
Man mag dies, wie die Medizinethikerin Claudia Wiesemann am vergangenen Montag bei der Sachverständigenanhörung des Deutschen Bundestages zum Thema Präimplantationsdiagnostik, als »verantwortliche Elternschaft« bezeichnen. »Verantwortung übernehmen«, führte sie aus, bedeute »alternative Entscheidungen haben.« »Alternativ« im Falle der Präimplantationsdiagnostik heißt jedoch, dass bei der In-vitro-Fertilisation »gesunde« und »geschädigte« Embryonen vor dem Transfer in die Gebärmutter »sortiert« und entsprechend »verworfen« werden. So wird aus dem verständlichen Wunsch nach einem gesunden Kind ein Akt der Auslese, der unterscheidet nach erwünschten und nicht erwünschten Menschen, ganz unabhängig davon, welchen Status man einem Embryo zumisst.
»Es ist normal, verschieden zu sein«, argumentieren die Behindertenverbände, die sich gegen selektive Diagnoseverfahren wehren. Verschieden weiterhin auch deshalb, weil, wie Klaus Zerres von der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik vor einigen Wochen bei der Anhörung zu den »Folgen der genetischen Diagnostik« deutlich machte, nur ein winziger Bruchteil der Fehlbildungen bei Neugeborenen genetisch bedingt ist. Unter Erklärungsdruck kämen künftig also Eltern mit einem behinderten Kind, weil »das heutzutage«, so die landläufige Meinung, »nicht mehr sein muss.«
Die Bedenken vieler Bioethiker, mit der Freigabe genetischer Diagnoseverfahren wie PID oder auch der Forschung an embryonalen Stammzellen einen »Dammbruch« zu bewirken, sind, wirft man nochmals einen Blick auf die Allensbacher Umfrage, nicht ganz von der Hand zu weisen. Danach nämlich würden 48 Prozent der prospektiven Eltern eine Disposition zu Alkoholismus ausschließen wollen; 41 Prozent gar würden Einfluss auf die Intelligenz ihrer Kinder nehmen, 30 Prozent auf das Geschlecht und 20 Prozent wünschen sich sportliches Talent.
Abgesehen davon, dass derartige Szenarien derzeit noch nicht sehr realistisch sind, sollten die Bekundungen doch alarmieren, denn bei dieser Auslese geht es nicht mehr um »gesund« und »krank« - was immer dies bedeutet, denn der Krankheitsbegriff wird gesellschaftlich ausgehandelt -, sondern um Eigenschaftsprofile. Dass dies in Zukunft in Zusammenhang mit der Genomanalyse in einem gewissen Rahmen möglich sein könnte, konzedierte bei der Sachverständigenanhörung der Humangenetiker und PID-Befürworter Wolfram Henn, der einen solchen »Missbrauch« mit »klaren Verboten« begegnet sehen will. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Ärztekammer Hamburg und Gegner der PID, prophezeite dagegen eine »Eskalation« bei deren Einsatz, die von monogenetischen Erbkrankheiten bis zur Planung von Eigenschaften oder Zielen reiche, wie im Fall Nash, wo ein Kind zum Zwecke der Organspende »erzeugt« wurde.
Die Enquetekommission »Recht und Ethik in der modernen Medizin« gibt sich in den diversen Anhörungen derzeit redlich Mühe, den unübersehbaren medizinisch-wissenschaftlichen Dschungel zu lichten und die verschiedenen (auch verborgenen) Interessen kenntlich zu machen. Vom Ethikbeirat beim Gesundheitsministerium liegt eine bislang nicht veröffentlichte Stellungenahme zum geplanten Fortpflanzungsmedizingesetz vor, von der anzunehmen ist, dass sie kritischer ausfällt, als dem Kanzler und den Regierungsparteien lieb sein wird.
Die Haltung der Ministerin derzeit laviert zwischen Entgegenkommen an die Biotech-Industrie und der Beruhigung der grünen Klientel. Ein »striktes Nein zur Gentechnik«, ließ sie kürzlich in einem Gespräch mit Craig Venter vernehmen, »wäre ebenso unsinnig, als sei man gegen die Deutsche Einheit.« Ein eindeutiges Ja oder Nein zur Biotechnologie könne es nicht geben und sie wolle die Menschen auch keinesfalls daran hindern, Auskunft über ihre Gene zu erhalten.
Kämpferisch gab sich Fischer hingegen auf einer Tagung der Bündnisgrünen Anfang November in Berlin, wo sie sich entschieden für »Grenzziehungen« einsetzte und ankündigte, dass sie weder PID freigeben noch das Verbot der Eizellenspende aufheben wolle; auch der Nutzung von embryonalen Stammzellen für die Forschung stehe sie skeptisch gegenüber. Diese allerdings werden ohnehin, wie von Wissenschaftlern zu hören war, von deutschen Labors aus dem Ausland eingeführt, unter demonstrativer Umgehung des Embryonenschutzgesetzes.
Wie schon beim Transplantationsgesetz (TPG) wünscht sich Fischer einen fraktionsübergreifenden Diskussionsprozess, um einen möglichst breiten Konsens herzustellen. Beim TPG endete der »Kompromiss« mit der Festschreibung des ohnehin bestehenden Zustands; eben dies ist auch im jetzigen Fall zu befürchten, im Sinne dessen, dass das, was ohnehin machbar ist und (teilweise) gemacht wird, rechtlich abgesegnet wird.
Im wenig fortpflanzungsfreudigen Entenhausen hat man das Problem auf fortschrittsgläubige Art gelöst: Die elternlosen Klone Tick, Trick und Track bürgen für den Fortbestand der Spezies.
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