Doc around the clock, mit diesem Slogan wirbt die Basler Firma Medgate um Online-Patienten. Keine lästige Terminvergabe mehr, keine Warterei in keimverseuchten Wartezimmern, kein Zeitverlust – perfekt? Das Ganze funktioniert wie ein Callcenter, 2.000 Anrufe pro Tag, die an die teilnehmenden Ärzte verteilt werden, die bereit sind, Ferndiagnosen zu verantworten. 100 davon sitzen in Baden-Württemberg. Deshalb ist Baden-Württemberg neben Schleswig-Holstein auch das erste Land, das ein Pilotprojekt zur ärztlichen Fernbehandlung auf den Weg gebracht hat. Gemanagt wird es von einer 26-jährigen Start-up-Unternehmerin, die in der FAS davon berichtet, sie habe im Studium 10.000 Euro gespart.
In ihrem Modell ist noch viel mehr Geld drin. Denn der Deutsche Ärztetag hat gerade beschlossen, die Musterberufsordnung für die Ärzteschaft zu ändern und eine ärztliche Beratung und Behandlung auch über digitale Medien – also Telefon, SMS, E-Mail oder Chat – zuzulassen, soweit dies „medizinisch vertretbar“ ist, es sich „um Einzelfälle“ handelt und die Patienten – worüber eigentlich? – aufgeklärt werden. Der „Goldstandard“ aber, versichert Josef Mischo von der Bundesärztekammer, sei „der persönliche Arzt-Patient-Kontakt“. „Goldstandard“: Schon der Begriff ist sprechend.
Angekündigt hat sich die Liberalisierung der Fernbehandlung schon seit längerem, und dass die große Mehrheit der Ärzte trotz kontroverser Debatte für den Antrag stimmte, hat vielleicht weniger mit der Sorge um die Versorgung der Patienten in den unterversorgten ländlichen Gebieten zu tun als mit ihrer Furcht, dass Großkonzerne ein lukratives Marktsegment abschöpfen könnten. „Die Frage ist“, beruhigte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Ärzte, „ob am Ende Google, Amazon oder Dr. Ed dieses Angebot machen oder ob wir das gemeinsam in Deutschland organisieren.“ Der Hausärzteverband sieht darin eher ein „Kostensparprogramm“.
Spahn allerdings wurde von den versammelten Doctores, die, wie man aus der Vergangenheit weiß, durchaus über Wohl und Wehe eines Gesundheitsministers entscheiden können, eher zurückhaltend aufgenommen. Dass er die Terminservicestellen ausweiten will und die Ärzte dazu verdonnert, ihre 25-stündige Praxisöffnungszeit auszuschöpfen, schmeckt vielen nicht. Die Wartezeiten seien nicht nur „gefühlt“, mahnte er Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery, und die Bevorzugung von Privatpatienten nicht in allen Fällen nur eingebildet.
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