Kein Rabatt auf Gesundheit

Kommentar Machtkomödie zwischen Ärzten und Ministerin

Markige Worte und Drohgebärden auf der einen, Machtworte und Verweise auf der anderen Seite: Er hat fast schon etwas Komödiantisches, der sogenannte "Machtkampf", der nach der kanzlerverordneten "Ruhe an der Gesundheitsfront" zwischen Ärzte-Lobbyisten und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt entbrannt ist. Mit "Dienst nach Vorschrift" meint der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Manfred Richter-Reichhelm, nicht nur die weiße Gefolgschaft hinter sich zu haben, sondern auch die um ihre Versorgung besorgte Patientenschaft; und die Ministerin glaubt mit der Drohung, die allmächtige Ärztevertretung einfach abzuwickeln, der latenten Streikbereitschaft die Luft zu nehmen.

Dabei löst weder die von Schmidt verordnete Nullrunde bei den Ärzte-Honoraren, noch der dagegen mobilisierte Widerstand irgendein Problem. So wenig übrigens wie der kürzlich inszenierte Ausfallschritt der Technikerkasse (TK), die mit einer Rabattierung besser verdienende, relativ gesunde Beitragszahler zu ködern versucht. Denn so groß der Druck der Ministerin sein mag, Gesundheitskosten einzudämmen, so dumm ist ihr Kalkül, das Problem von den defizitären Kassen auf die Leistungserbringer abzuwälzen. Und so ökonomisch nachvollziehbar es ist, wenn Kassen ihre Patienten animieren wollen, weniger zum Arzt zu gehen, so kurzsichtig ist die Vorstellung, dass eben die, die ärztliche Dienstleistungen vielleicht öfters als notwendig in Anspruch nehmen, durch Rabattierung davon abgehalten werden. Vielmehr drohen vernachlässigte Vorsorge, verspätete Eingriffe und unabsehbare Folgekosten.

Die Kontrahenten befinden sich mittlerweile in einem über Jahre hinweg durch Irrtümer, gezielte Fehlgriffe und Statusdenken festgefahrenen Clinch, bei dem bislang eine bekannte Reihe von Ministerinnen zu Boden gingen, gar nicht zu reden von der unbekannten Zahl der Patienten, die den diversen "Reformen" zum Opfer fielen. Privatisierung, Kassenkonkurrenz, Zuzahlung, Bonussysteme, Leistungseinschränkung, Risikoausschluss und am Ende Beitragserhöhungen - eine unendliche, von der konservativ-liberalen in die rot-grüne Koalition gerettete etatistische Werkelei ohne gesundheitspolitische Visionen!

Deutschland gibt gigantische Summen für sein Gesundheitswesen aus, bei höchst mittelmäßigen Erträgen, so jedenfalls die niederschmetternde Bilanz eines OECD-Vergleichs. Das sollte Gesundheitspolitikern, Standesvertretern und auch denen zu denken geben, die sich jeden Tag in Praxen, Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen aufreiben. Und nicht zuletzt den Patienten, wenn sie ihren Chip über die Theke schieben. Sie dürfen - für sich oder andere - erwarten, möglichst gut versorgt zu werden und diese Leistung muss angemessen bezahlt werden. Aber so wenig, wie Gesundheit rabattierbar ist, so wenig dürfen Kranke als "schlechtes Risiko" in Geiselhaft genommen werden.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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