Es ist noch nicht allzu lange her, da tobte in Deutschland eine Debatte über das Recht, kleine Jungen nach ihrer Geburt zu beschneiden. Was für die einen ein unverzichtbarer religiöser Ritus bedeutete, lehnten die anderen als einen Akt der Körperverletzung ab. Eine Frage wurde damals kaum diskutiert, sie wäre aber durchaus interessant gewesen: Wie würden sich denn die betroffenen Kinder, könnten sie vor einem deutschen Gericht ihr Recht einklagen, wohl entscheiden?
Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) unternimmt wieder einmal einen Vorstoß, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Im Spiegel erklärte sie vor rund zwei Wochen, eine solche Ergänzung im Grundgesetz sei notwendig, um „die Situation von Kindern in vielen Lebensbereichen zu verbessern“. Neu ist das nicht, das Kinderhilfswerk UNICEF fordert seit langem schon, die Rechtsposition von Kindern im Grundgesetz zu stärken: Kinder hätten das Recht auf Förderung ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten und je nach Alter das Recht auf die Beteiligung in ihren eigenen Angelegenheiten, beispielsweise die Wahl, bei welchem Elternteil sie im Scheidungsfall leben wollen.
Die Familienministerin ihrerseits will mit der Initiative Kinder unterstützen, die in einer Pflegefamilie leben und selbst entscheiden dürfen sollen, ob sie dort bleiben oder in ihre Herkunftsfamilie zurückkehren. Die Entscheidungen der Jugendämter müssten sich dann mehr nach dem Willen des Kindes und dem Kindeswohl richten als nach dem grundgesetzlich verankerten Vorrecht der Eltern. Um die Union, die sich bislang gegen eine solche Grundgesetzänderung sperrte, zu überzeugen, betont sie, die „Stellung der leiblichen Eltern in der Verfassung nicht gefährden“ zu wollen.
Schwesig hatte ihre Initiative bereits schon einmal gestartet: im Jahr 2012 als SPD-Vizevorsitzende und Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern. Sie blieb damit allerdings erfolglos. Ihr Vorschlag folgt dem Geist der 1989 verabschiedeten UN-Kinderrechtskonvention, in der erstmals politische Bürgerrechte, kulturelle, wirtschaftliche, und soziale Rechte in einem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag formuliert wurden; außer Somalia und den USA haben sie alle Staaten ratifiziert. Die Konvention weitet den Individualisierungstrend moderner Gesellschaften auch auf Kinder aus und entzieht sie ein Stück weit dem absoluten elterlichen Zugriff. Kinder haben ein Recht auf Gesundheit, Bildung und Ausbildung, Spiel und Erholung, auf gewaltfreie Erziehung und Schutz vor Grausamkeit und Vernachlässigung.
Das müsste in einem zivilisierten Land eigentlich selbstverständlich sein. Aber wenn Schwesigs Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden sollte, sind nicht nur Eltern oder Jugendämter aufgerufen, den Wünschen der Kinder mehr Beachtung zu schenken. Vor allem ist es der Staat, der dafür zu sorgen hat, dass kein Kind mehr in Armut lebt; dass die geistige und seelische Gesundheit gefördert wird und dass kein Kind, auch wenn es nicht deutscher Herkunft ist, abgeschoben werden darf in ein Land, in dem es gefährdet ist; und nebenbei muss er auch dafür sorgen, dass nicht Hand angelegt wird, unter welchen religiösen Vorwänden auch immer.
Wenn Kinder ihre Rechte einklagen könnten, wäre vor allem der Staat in der Pflicht.
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