Können „normale Frauen“ keine Models sein?

Frauensache Die Zeitschrift Brigitte möchte wieder professionelle Models einsetzen. Die Ausstellung "Zeitlos schön" in Berlin zeigt ihrerseits, dass Modelkörper künstlich sein sollen
Können „normale Frauen“ keine Models sein?

Illustration: Otto

Jede Zeit hat ihre Models. Das lässt sich in der zurzeit laufenden Ausstellung „Zeitlos schön – 100 Jahre Modefotografie“ im C/O Berlin betrachten. Die Darstellerinnen der Schönheit und Produzentinnen der Sehnsucht verkörpern wie kaum eine andere Berufsgruppe den Zeitgeist. Und mit dessem Wandel ändern sich auch die Idealfrauen auf den Modeseiten.

Als deshalb die etwas trutschige Frauenzeitschrift Brigitte vor fast drei Jahren ankündigte, ihre professionellen Models durch die „ganz normale Frau von der Straße“ zu ersetzen, war das nicht nur ein Werbegag, sondern ein Signal an die Frauen: Schaut, jede von euch kann so toll aussehen. Vor-ausgesetzt natürlich, ihr kauft die abgelichteten Klamotten. Authentizität sollten die neuen Models vermitteln, Natürlichkeit. Dass der Verlag damit keine Kosten einsparen wollte, weil die neuen Models ähnliche Honorare erhielten, bekräftigte die Uneigennützigkeit der Botschaft.

Nun haben die Chefredakteure vergangene Woche angekündigt, wieder zu den professionellen Models zu-rückkehren zu wollen. Weil sich die Leserinnen, wie sich gezeigt hätte, zu sehr vom Produkt abgelenkt und, wie es im Editorial in Heft 21 heißt, „unter Druck gesetzt fühlten“, ebenso schön aussehen zu müssen wie die „normalen“ Frauen. „Das macht einem ja Minderwertigkeitskomplexe“, soll es öfter geheißen haben.

„Nackte Wahrheiten“

Nun ist das unverwechselbarste Charakteristikum der Mode gerade ihr Modischsein, der Wechsel, und das gilt auch für ihre Darstellerinnen. Deshalb haben Models eine recht kurze Halbwertzeit. Insofern könnte man diesen Austausch als ein banales Ereignis abtun, wäre da nicht die vertrackte Frage, warum sich die Leserinnen eigentlich von der käuflichen Oberfläche abgelenkt fühlten und zu den „nackten Wahrheiten“ vorstießen.

Aufschluss darüber lässt sich vielleicht auch in der Ausstellung im C/O Berlin finden: Denn die Schau zeigt nicht nur, dass Mode in jedem Sinne Kunst ist und umso künstlicher, wie ihr Widerschein „natürlich“ daherkommt. Dem italienischen Cortegiano, dem Höfling, war die Sprezzatura eigen, das Talent, auch Mühevollstes leicht erscheinen zu lassen; eben genau diese Fähigkeit erst macht die Frau zu einem Model. Wenn Baudelaire die Schminke lobte und Walter Benjamin die Rüsche zum Zeichen des Ewigen erhob, dann in der Einsicht, dass Authentizität die auf die Spitze getriebene Künstlichkeit ist. Vielleicht verkörperten „die Frauen von der Straße“ einfach zu viel Substanz und zu wenig Hülle.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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