Kriegen Männer jetzt auch Mutterschutz?

Frauensache Wenn transsexuelle Männer Kinder kriegen, bröckeln die letzten Fundamente der biologischen begründeten Geschlechtertrennung. Hält die Gesellschaft Schritt?

Ein schwangerer Mann? Aber nur Frauen können doch schwanger werden!, lautet der Einwand, wenn es wieder einmal den nicht zu leugnenden Unterschied zwischen Mann und Frau zu belegen gilt. Als ob das so einfach wäre! Gerade schwappte die Nachricht über den Ärmelkanal, dass ein transsexueller Mann – also eine biologische Frau, die ihr Geschlecht hat umwandeln lassen – per Kaiserschnitt einen Sohn zur Welt gebracht habe. Das ist möglich, soweit der Betreffende sich bei der Prozedur Eierstöcke und Uterus nicht hat entfernen lassen. Übrigens kein Präzedenzfall: Der US-Amerikaner Thomas Beatie war 2008 der erste Transsexuelle, der ein Kind austrug; inzwischen ist er sogar dreifache "Mutter".

Mutter? Ein Mann?! Da gerät nicht nur die göttliche Schöpfung ins Wanken, sondern auch manches gar nicht so christliche Weltbild. Denn wer sich in seinem Geschlecht als Frau nicht zuhause fühlt und für den Wechsel einiges auf sich nimmt, dem müsste doch daran gelegen sein, gerade nicht Frau zu sein, sondern ein echter Mann, oder? Warum möchte der ausgerechnet die weiblichste Eigenschaft überhaupt ausleben?, fragt man sich irritiert in Internetforen. Und dann das Kindeswohl! Wie muss ein Kind leiden, wenn es einen Mann zur Mutter hat. Sagt es dann "Dammy" statt "Daddy"?

Gendertrouble an allen Fronten. Als hätten zuerst die Homo-, Trans- oder Intersexuellen die Geschlechterverhältnisse auf den Kopf gestellt und nicht die moderne Medizin, die es erlaubt, in die „natürlichen“ Vorgänge zu inter­venieren und die für die Reproduktion notwendigen Teile zu isolieren, auszutauschen, zu mischen oder zu manipulieren. Transsexuelle Männer lassen zum Beispiel ihre Eierstöcke einfrieren für den späteren Gebrauch.

Aber auch die, die die Verhältnisse außer Kraft setzen wollen und den schwangeren Mann als zivilisatorischen Fortschritt feiern, sind vom biologistischen Urschleim nicht ganz unbeleckt. Er habe das Recht auf ein biologisches Kind, begründete etwa Thomas Beatie sei­­nen "Mutterwunsch". Der Himmel bewahre uns vor dem Tag, an dem dieses Recht einklagbar wird. Anders steht es mit den Schutzrechten. Was ist mit schwangeren Männern, die in Mutterschutz gehen wollen? In Deutschland zumindest ist das – noch – Frauen vorbehalten. Das wäre also ein Fall für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: Männer könnten dort gegen Diskriminierung klagen.

Die wöchentliche Kolumne "Frauensache/Männersache" im Alltagsressort widmet sich Genderthemen und wird abwechselnd von weiblichen und männlichen Autoren geschrieben. Zuletzt schrieb Steffen Kraft über Frauen, die ihre Billy-Regale selbst aufbauen.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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