Fuchs an der Leine

Meinung Die Corona-Zahlen steigen, aber die Maßnahmen dagegen werden fast alle abgeschafft. Wie geht das zusammen?
Ausgabe 12/2022
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist ein schlauer Fuchs, der es viel besser weiß. Säße er in der Opposition, würde er zur Hochform auflaufen
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist ein schlauer Fuchs, der es viel besser weiß. Säße er in der Opposition, würde er zur Hochform auflaufen

Foto: Political-Moments/IMAGO

Geht es Ihnen auch so als noch nicht Infizierte? Empfinden Sie sich inzwischen als Minderheit, weil Ihr Umfeld Corona-positiv war oder inzwischen ist? Und verstehen Sie die Welt nicht mehr, weil noch vor einem Jahr über Grenzwerte von 100, 50 oder sogar 35 gestritten wurde, damit wir zum Friseur gehen durften oder die Oma besuchen? Jetzt liegt die Inzidenz bei über 1.700, und die Republik tut so, als sei alles in Ordnung. Bald dürfen wir die Masken fallen lassen, wieder Person mit einem erkennbaren Lächeln sein an der Supermarktkasse. Lange vermisst.

Corona-Politik oder Gemeingefährdung?

Zugegeben, es ist Krieg, dessen sichtbare Destruktionsenergie die unsichtbare virale Sprengkraft zu übertreffen scheint. Das kanalisiert und bindet die Aufmerksamkeitsökonomien. Aber es scheint, als ob wir nun in Bezug auf Corona reagieren wie der Fuchs, der die hoch hängenden Trauben eigentlich gerne hätte, aber, weil er sie nicht erreichen kann, glaubt, sie seien sauer. Reden wir uns ein, Corona sei nun kein Problem mehr, weil es die politische Allianz in Berlin so will und wir müde sind? Um zumindest eine Front zu beruhigen, die uns überfordert? Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist ja ein schlauer Fuchs, der es viel besser weiß. Säße er in der Opposition, würde er zur Hochform auflaufen. Nun ist er das Füchslein an der Leine, das tagtäglich insinuiert: alles gut. Von wegen – das Gegenteil ist der Fall. Die Zahl der Menschen, die im Krankenhaus wegen Covid behandelt werden müssen, steigt, und es sterben täglich rund 200 Menschen an der Krankheit. Gerade schlug der Chef der Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, Alarm: Wegen der hohen Zahl positiv Getesteter unter dem Personal seien drei Viertel der Kliniken nicht mehr in der Lage, den Normalbetrieb aufrechtzuerhalten.

Die Nachricht kreuzte sich mit der Meldung der Krankenkassen, dass sie die Impfpflicht, wenn sie denn komme, nicht durchsetzen könnten. Wegen Papiermangel! Sie können die Mitglieder nicht per Brief darüber informieren. Nun kann man mit Recht fragen, ob die Kassen dafür überhaupt zuständig sind, aber diese Schutzbehauptung setzt der ganzen Farce die Krone auf. Gewiss ist die Ampel um die ungeplanten Baustellen gerade nicht zu beneiden. Doch ihre Corona-Politik grenzt an Gemeingefährdung.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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