In der Politik ist es wie in der Mode: Hauptsache Etikett. Dass mit dem T-Shirt von Joop oder Armani mehr Staat zu machen ist als mit dem Fähnchen von H, überrascht niemand, obwohl die Erfahrung zeigt, dass das Massenprodukt oft genug strapazierfähiger ist. Als sich die SPD vor zwei Jahren beim damaligen grünen Koalitionspartner das Label "Bürgerversicherung" auslieh und ans ausgewaschene T-Shirt heftete, verdächtigten distinktionsbedachte Zeitgenossen das Modell als gleichmacherisch und rügten seine Herkunft.
Insofern überrascht es niemand, dass mit der großen Koalition ein Modellwechsel ansteht, der sich nicht nur vom Ursprung verabschiedet, sondern auch die "feinen Unterschiede" betont, dabei ganz up to date daherkommt und leicht zu platzieren ist. Das Modell "Gesundheitsfonds" scheint jedenfalls die verhandelnden Koalitionäre überzeugt zu haben: "Fonds" klingt nach weltläufiger Finanzkraft und wundersamer Selbstvermehrung, erinnert begrifflich jedenfalls nicht daran, wer wie an seinem Aufbau beteiligt ist.
Denn in dieser Hinsicht sind die Unterschiede nicht fein, sondern ziemlich grob: Während die Unternehmen mit fixen 5,5 Prozent mit von der Partie sein sollen und damit perspektivisch gewinnen, trifft es die Versicherten dreifach. Als Versicherungsnehmer würden sie mit rund 6,5 Prozent vom Gesamtbruttoeinkommen (das heißt inklusive aller Nebeneinkünfte) und als Steuerzahler in Form eines Gesundheits-Solis oder eines Aufschlags auf die Einkommenssteuer zur Kasse gebeten. Die heutigen Zuzahlungen blieben bestehen oder würden sogar ausgeweitet.
Aus diesem Fonds sollen die Kassen pro Versicherten 150 bis 170 Euro erhalten. Reicht das nicht aus - und das ist zu befürchten -, müssten sie bei ihnen noch einmal einen Sonderbeitrag erheben. Nach dem politischen Design forciert das den Kassenwettbewerb und animiert zu Sparsamkeit. Die Verbraucherverbände haben errechnet, dass sich mit einem derart ausgestalteten Gesundheitsfonds die ohnehin nicht mehr gleich verteilte Last zwischen Unternehmen und Versicherten auf ein Verhältnis von einem Drittel zu zwei Dritteln annähern würde. Es wäre das endgültige Ende der paritätischen Versicherung.
Unklar und strittig ist derzeit noch, ob und in welcher Form die Privatversicherten in das Fondsmodell integriert werden. Während die SPD mit deren Einbeziehung an das "alte" Bürgermodell erinnern will, ist die Union dagegen, wenn auch - wie vom baden-württembergischen Ministerpräsident Günther Oettinger - vorsichtige Verhandlungsbereitschaft signalisiert wird. Diese Frage ist deshalb entscheidend, weil der Gesundheitsfonds absehbar so teuer wird, dass sich der Zug der Jüngeren zu den Privaten noch verstärkt und die Gesetzlichen auf den so genannten "schlechten Risiken" - Kranke, Arme und Alte - sitzen bleiben werden.
Angesichts solcher Aussichten müssten die Kassenverbände laut Krach schlagen; die bleiben aber verhalten, weil ihnen die Gesundheitsministerin ohnehin mit der Schnittschere droht und "wichtige Veränderungen in der Verbandslandschaft" ankündigt. Es ist kein Geheimnis, dass sie neben den Kassenärztlichen Vereinigungen gerne auch die einflussreichen Kassenverbände, die Fusionen zwischen den Kassenarten erschweren, weg geschnitten sähe. Für genügend Schnittfläche sorgt außerdem die Gerüchteküche: Wie schon bei der letzten ultimativen "Reform" stehen Risikosportarten, gesundheitsschädliches Verhalten und das Krankengeld als Verhandlungsmasse zur Disposition; das erleichtert es, den Finanzierungskern am Ende durchzuwinken.
Das Gesundheitssystem wird also nicht nur sehr viel teurer, es wird auch schlechter in dem Maße, wie es sich an der Rentabilität orientiert. Insofern ist der "Gesundheitsfonds" durchaus das passende Label. Fondsanleger haben da übrigens so ihre Erfahrungen: Im Auf und Ab des Marktes gingen immer nur die Investitionsverwalter als Gewinner hervor. Weshalb also sollte man einer teuren Selbstverwaltung eine teure Bundesagentur für Gesundheit vorziehen?
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