Myriadische Patente

Biopatentrichtlinie Während der Bundestag berät, teilen sich die Konzerne die Biopatente auf

Im Windschatten des fast eine Koalitionskrise auslösenden Streits, ob Stammzellen aus dem Ausland nach Deutschland importiert werden dürfen, fand am 21. Juni die erste Lesung des Biopatentgesetzes statt, durch das die Europäische Biopatentrichtlinie national umgesetzt werden soll. Während die Presse noch mit Zahlen für die Kosten der Stammzellen hausieren geht - eine Kultur ist ab 13.000 Mark zu haben, und das US-Unternehmen Cryobank bietet für 15.000 Mark an, Zellen aus Nabelschnurblut einzufrieren, die bei Bedarf abrufbar sein sollen - stehen die einschlägigen Unternehmen bereits in den Startlöchern, nicht nur Gene oder Gensequenzen zu patentieren, sondern auch Stammzellen.

Fast hundert entsprechende Anträge liegen nach Recherchen von Greenpeace derzeit dem Europäischen Patentamt in München vor. Doch nach der aufgeheizten Diskussion in den letzten Monaten will das Amt mit der Entscheidung auf die von der Europäischen Ethikkommission in Brüssel angekündigte Stellungnahme Ende des Jahres warten.

Patente auf menschliches Leben, auch und vor allem auf Embryonen, sind umstritten. Doch selbst Patente, die sich nicht auf fetales Gewebe beziehen, wie das Ende Mai erteilte Patent auf das Brustkrebs-Gen BRCA 1 (EP 0705 903) offenbart die Probleme, die Patente auf menschliche Substanzen mit sich bringen. Die US-Firma mit dem sprechenden Namen Myriad beansprucht mit dem Patent 80 menschliche Gensequenzen, auf denen sich Genmutationen befinden, von denen man annimmt, dass sie erblichen Brustkrebs auslösen. Das Patent umfasst nicht nur derzeitige, sondern auch künftige Diagnose-Verfahren sowie die Rechte, das Gen für die Herstellung von Arzneien zu verwenden. In der bisherigen Praxis des Patentamtes nämlich wird dem Antragsteller nur aufgegeben, einzelne kommerzielle Anwendungen zu beschreiben. Damit sichert sich ein Konzern alle weiteren möglichen Anwendungen. Auch für das zweite bekannte Brustkrebsgen BRCA 2 hat Myriad ein Patent beantragt.

Nicht nur Greenpeace, sondern auch betroffene Patientengruppen bis hin zu Jörg Dietrich Hoppe, dem Vorsitzenden der Bundesärztekammer und DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker fürchten die einseitige Kontrolle und Blockierung der weiteren Forschung, die in solchen Fällen vom good will und den kommerziellen Interessen einer einzigen Firma abhängig wird. Schon jetzt befürchten englische Forscher, dass sich durch das Patent die Kosten der Untersuchung auf Brustkrebs verdoppeln werden, selbst wenn sie nicht das von Myriad beschriebene Verfahren nutzen.

Die Bundesregierung verschanzt sich in Sachen Biopatentrichtlinie hinter der EU: Sie sei aufgefordert, europäisches Recht national umzusetzen. Doch die Niederlande und Italien haben eine Nichtigkeitsklage eingereicht, Frankreich hat die Umsetzung der Richtlinie zurückgestellt, weil das französische Parlament sie mit der Menschenwürde für nicht vereinbar hält. Auch die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags hat sich in dieser Frage skeptisch geäußert. Streitpunkt ist, ob es sich bei Biopatenten um nicht patentierbare Entdeckungen oder tatsächlich um Erfindungen handelt. In §1 der vorgeschlagenen nationalen Richtlinie heißt es, dass "der menschliche Körper sowie die bloße Entdeckung seiner Bestandteile keine patentierbaren Erfindungen" sind, um allerdings in § 2 dessen "isolierte Bestandteile" - also auch die multifunktionalen Gene - für durchaus patentierbar zu erklären.

Dieses sogenannte "Stoffpatent" zieht aber, wie in der Bundestagsdebatte kritisch festgestellt wurde, "einen kommerziellen Schutzraum um das Gen an sich." Mittlerweile erklärten sogar namhafte Vertreter des Patentamtes, dass sie sich einen Patentschutz, der rein auf die konkrete Anwendung bezogen bleibt, vorstellen können, weil ein "zu weiter Patentschutz" den Wettbewerb eher hemme und das Patentrecht nicht dazu da sei, "maximale Gewinne zu erzielen". Insofern hätte der Bundestag jede Rückendeckung, Biopatente drastisch einzugrenzen.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden