Natur oder Kultur?

Frauensache Warum werden Männer, statistisch betrachtet, nicht so alt wie Frauen? Liegt es an Genmutationen in den Mitochondrien? Oder daran, dass sie sich riesige Wampen anfressen?
Natur oder Kultur?

Illustration: Otto

Wir wussten schon lange, dass Frauen das überlegene Geschlecht sind. Wieso müssten sich Männer sonst ständig als Alpha-Tierchen gebärden? Das ist auf Dauer ziemlich anstrengend und hat Folgen. Ein heute geborenes Mädchen wird statistisch 82 Jahre und sieben Monate alt und überlebt einen gleichalten Jungen um fünf Jahre und elf Monate. Bleibt die Dauerstreitfrage: Ist dafür die Natur oder die Kultur verantwortlich?

Männer leben bekanntlich riskanter: Sie werfen sich als Kampfhähne ins Getümmel oder rasen todesverachtend durch die Landschaft. Weil sie immer einen Anderen auf ihren Fersen wähnen, machen sie alles zum Wettkampf. Das stresst. Dabei glauben sie auch noch, sie seien unverletzlich und meiden Ärzte wie die Pest. Lieber ertränken sie Frust im Alkohol, fressen sich eine Wampe an oder geben sich den Rest, wenn die Partnerin außer der Reihe vor ihnen stirbt: Drei Viertel aller Selbstmorde werden von Männern begangen. Natürlich hat all dies auch schichtspezifische Aspekte, doch der Unterschied zwischen Männern und Frauen zieht sich überall durch.

Doch wenn mann jetzt mittels Stressabbau und vernünftiger Lebensweise aufholen will, wird er eines Besseren belehrt: Australische Forscher haben gerade wieder einmal festgestellt, dass es das Erbgut ist, das den Mann so früh zu Tode bringt. Genmutationen in den Mitochondrien, so eine Art Turbokraftwerk der Zellen, die Nährstoffe in Energie umwandeln, können dazu führen, dass ein Männchen eher stirbt, jedenfalls ist das bei der guten alten Drosophila so. Bei den Weibchen passiert dagegen gar nichts. Die Forscher sehen das als Erklärung, warum im Tierreich häufig Männchen schneller altern als Weibchen. Und hoffen nun, einen „Schalter“ zu finden, um die Mitochondrien bei Männern auszutricksen.

Vielleicht bleiben uns die Männer also demnächst länger erhalten. Bleibt es nämlich beim Unterschied in der Lebenserwartung, müssten wir über die Quote noch mal neu verhandeln. Bei der Altersgruppe der 65-Jährigen und Älteren stellen Frauen in Deutschland bereits 60 Prozent der Bevölkerung. Vielleicht ist ein anderer Weg aber aussichtsreicher. Es gibt eine Studie, die beweist, dass Männer und Frauen, die im Kloster leben, ungefähr gleich alt werden. Kein Ferrari, mit dem durch die Gegend gerast werden könnte, kein neidischer Konkurrent, nur maßvolle Arbeit und bescheidener Genuss. Aber, ach, was haben Mann oder Frau voneinander, wenn sie sich nur über Klostermauern belinsen?

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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