Neoliberales Exempel

Pleite Die FDP profiliert sich mit dem Fall Schlecker. Bleibt die Hoffnung, dass Parteichef Philipp Rösler bald eine "Anschlussverwendung" außerhalb der Politik findet

Angenommen, es wäre um BMW gegangen oder um Siemens. Um Aushängeschilder des „Made in Germany“ und um Garantien männlichen „Humankapitals“: Sie wären gesprungen, die Wirtschaftsminister aller Länder, die Kanzlerin hätte die Sache vielleicht sogar zur Chefsache erklärt und sie ihrem politisch an der Wand stehenden Minister aus der Hand genommen.

Aber nein, es ging um haushaltsnahe Drogeriewaren und eben „nur“ um Frauenarbeitsplätze in einer Handelskette mit Schmuddelimage. Damit kann man noch weniger punkten als mit der Rettung eines Kaufhauskonzerns. Schlecker war vielmehr geeignet, einen „ordnungspolitischen“ Präzedenzfall zu schaffen, mit dem sich die taumelnde FDP nun profiliert: keine staatliche Bürgschaft für eine aus einem Insolvenzverfahren hervorgegangene Transfergesellschaft.

Schlecker ist am Ende. Gescheitert, weil Eigner Anton Schlecker und sein Management versagt haben, und die Familie nicht mit ihrem Restvermögen haften wollte; und an der FDP und deren Noch-Chef Philipp Rösler, der ein neoliberales Exempel statuieren wollte.

Absehbares Szenario

Nicht hohe Löhne – die lagen nur auf Tarifniveau – und auch nicht ein angeblich von ver.di initiierter Käuferstreik – wie Rainer Brüderle (FDP) derzeit verbreiten lässt – haben Schlecker zu Boden gestreckt. Es waren am Ende die Kündigungsklagen, die den potenziellen Käufer Nicolas Berggruen davor haben zurückschrecken lassen, die Kette zu übernehmen. Und genau dieses Szenario hätte die an Rösler gescheiterte Transfergesellschaft verhindern können.

Die Kondolenzbekundungen seitens der Politik an die Schlecker-Frauen, die zehn Prozent Lohnverzicht hingenommen haben und seit Monaten in unzumutbarer Unsicherheit leben, sind blanker Hohn. Vielleicht braucht das Land Schlecker nicht, aber es braucht Arbeitskräfte wie diese über 13.000 unerschrockenen und widerstandsfähigen Frauen. Zur „Anschlussverwendung“ (Philipp Rösler) werden sie nun an die Jobcenter überstellt. Bleibt nur zu hoffen, dass es nach den nächsten Wahlen keine „Anschlussverwendung“ mehr für Rösler und seine Truppe gibt!

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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