Wenn jetzt an freundlichen Tagen das helle Februarlicht schon den Frühling ahnen lässt und draußen im Hof die Kamelie mit ihren prallen Knospen prahlt, denkt mancher, der einen Garten hat, an die bald anstehenden Kärrnerarbeiten, die der Naturrhythmus rücksichtslos mit sich bringt. Noch sieht man im Osten keine Himmelsschlüssel, die träumenden Vorboten des Frühjahrs, die Eva Rosenkranz in ihrem wunderbar tiefsinnigen Buch Garten ist überall besingt – und mit dem sie in der Folge der Monate durch das Gartenjahr begleitet. Immerhin strecken sich bei uns schon einzelne neugierige Winterlinge der Sonne entgegen, und der Pfirsichbaum hat angesetzt. Die kahlen Arme unseres sterbenden Kirschbaums erinnern uns dagegen nicht nur an die Freuden, die
Freuden, die das Refugium birgt, ohne das wir Corona nicht so gut überstanden hätten.Bald ist also der Pflanzenmüll vom Spätherbst zu schreddern und zu häckseln, der Kompost umzusetzen und nach den überwinternden Dahlienknollen im Keller zu schauen, die hoffentlich nicht ganz vertrocknet sind. In der Zweisamkeit unseres Gartens herrscht noch eine ziemlich traditionelle Arbeitsteilung, die dem Mann die körperlich anstrengenden Tätigkeiten aufbürdet und es der Frau überlässt, die winzigen, aus der Vorjahresernte gewonnenen Tomatensamen – alte Sorten aus der Uckermark natürlich – zu kleinen Pflänzchen aufzuziehen oder die sorgsam gepäppelten Blümchen in die Gartenerde zu setzen.Der ausnahmsweise nasse Winter in Berlin hat, so hoffen wir, den Bäumen und Sträuchern ein bisschen Erholung gegönnt, denn wie nirgendwo in der Stadt ist der Klimawandel im Garten spürbar. Mit Schrecken denken wir an die vergangenen Dürrejahre zurück, als wir schon im April mit dem Wasserschlauch unterwegs waren und uns schließlich eine Bewässerungsanlage gegönnt haben, die zwar nicht unbedingt zuverlässig ist, uns aber viel Gießerei erspart. Kontemplativ ist das nämlich nur, wenn man nicht täglich möglichst vor Sonnenaufgang sprengen muss.Dem besagten Kirschbaum, der sein dunkles schattenspendendes Dach völlig verloren hat und der seit vergangenem Juni expressiv-düster in den Himmel ragt, haben wir die Wintermonate noch gegönnt. Ob wir ihn jetzt, wie empfohlen, mit Ramblerrosen begrünen oder ihn doch einem Schicksal im Ofen zuführen, haben wir noch nicht entschieden. Begonnen hat sein Sterben mit fortwährender Fruchtfäule, ein unliebsamer Gast im gesamten Areal. Der agile Kirschbruder am Zaun dagegen produziert in manchen Jahren Früchte mit ungebetenen Wurmgästen.Aussichtsloser Kampf gegen Giersch und HopfenÜberhaupt sind die hitzegeplagten Bäume, denen mit dem Wasser alle Kraft fehlt, unsere Sorgenkinder. Der Apfelbaum leidet Jahr für Jahr an Spitzenfäule, und die geliebte alte Pflaume neigt sich immer gefährlicher über die Laube. Dort hängt auch das Häuschen für die Meisen. Mit Eva Rosenkranz teilen wir die traurige Erfahrung, wenn das Geschrei der hungrigen Piepmätze plötzlich verstummt und wir später nur noch die fedrigen Reste einer nächtlichen Tragödie entsorgen können.Ob unsere missglückten Versuche mit bestimmten Pflanzen auch auf den Klimawandel zurückgehen, ist unklar. Empirisch belegt jedenfalls mögen Fresien oder Ranunkeln unseren sandigen Boden nicht und weigert sich der Rittersporn regelmäßig, ein zweites Mal auszutreiben. Die Dahlien dagegen leuchten im Herbst umso prächtiger – sofern sie mit ihren zarten Blättern in der Wuchszeit nicht als Delikatesse den Schneckenattacken zum Opfer fallen. Die schaffen es sogar ins Hochbeet, in dem der Salat gedeiht. Über den Einsatz von Schneckenkorn gab’s unter Freunden schon einmal heftige Diskussionen.Anderen Garteninsassen ist dagegen einfach nicht beizukommen, dazu gehören Giersch und Hopfen. Weiträumig und unterirdisch verzweigt, führen wir den aussichtslosen Kampf gegen den einen schon im Frühjahr, während die schnellwüchsigen wilden Hopfenranken im Sommer nicht nur die Rosen erwürgen.Dennoch empfinde ich es jedes Jahr wieder wie ein Wunder, wenn unser Garten erwacht und ganz ohne unsere Hilfe neues Leben schafft oder ermöglicht. Diese sich selbstverständlich reproduzierende Natur ist faszinierend, egal ob man dazu neigt, viel oder wenig Hand anzulegen. Das Gärtnern stärkt unser Gefühl für diese Kraft und erzeugt in uns vielleicht auch jene Widerstandskräfte, sich den mit dem Klimawandel verbundenen Verlusten entgegenzustemmen.