Nur ein Tropfen Blut

Trisomie 21 Anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tags wird ein neuer vorgeburtlicher Test diskutiert. Er könnte Eltern behinderter Kinder in Erklärungsnöte bringen

Welttage sind Anlässe, um auf die Probleme und Bedürfnisse von Betroffenengruppen aufmerksam zu machen. Wir kennen globale Weltkindertage, den Welt-Aids-Tag – und der 21. März ist zum Welt-Down-Syndrom-Tag auserkoren worden, ein Indiz dafür, dass diese Menschen unsere Aufmerksamkeit und unseren Schutz benötigen.

Das überrascht auf den ersten Blick, denn die mediale Karriere von Kindern mit Down-Syndrom war im letzten Jahrzehnt auffällig. Vielleicht auch deshalb, weil sie weniger werden angesichts der sich ausweitenden vorgeburtlichen Risikochecks und Diagnosemöglichkeiten. Schon heute werden die meisten Föten abgetrieben, von denen angenommen wird, mit Trisomie 21 – die Chromosomenstörung, die sich als Down Syndrom ausprägt – belastet zu sein. Allerdings ist die heute angebotene Fruchtwasseruntersuchung zwischen der 15. und 16. Schwangerschaftswoche ebenfalls mit Risiken, etwa einer Fehlgeburt, verbunden.

Abwägung des Lebensrechts

Deshalb richten sich die Hoffnungen auf einen neuen Bluttest, der Mitte dieses Jahres von der Konstanzer Firma LifeCodexx auf den Markt gebracht wird. Für 1.200 Euro und als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) selbst zu bezahlen, verspricht er durch eine einfache Blutabnahme nicht nur ein Risiko zu berechnen, sondern eine konkrete Diagnose zu stellen. Der Test, der grundsätzlich ab der 7. Schwangerschaftswoche gemacht werden kann, soll allerdings, wie die Frankfurter Soziologin Eva Sänger recherchiert hat, erst nach den üblichen Vorsorgeuntersuchungen angewendet werden bei Schwangeren, die ein erhöhtes Risiko für eine Chromosomenstörung haben. Sie müssen sich mindestens in der 12. Schwangerschaftswoche befinden und sich im Rahmen des Gendiagnostikgesetzes beraten lassen.

Ob der Bluttest am Ende eine ähnliche Karriere macht wie die heute üblichen Methoden des Schwangeren-Screenings ist derzeit noch nicht abzusehen. Die Nachfrage jedenfalls ist hoch, und das drückt bekanntlich den Preis. Die Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung fordert deshalb, anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tages, die vorgeburtliche Diagnostik erneut auf den Prüfstand zu stellen und sie gegen das Lebensrecht von Menschen mit Behinderung abzuwägen. Denn je früher der Zeitpunkt des Pränatalchecks ist, desto niedriger die Schwelle, eine Schwangerschaft zu beenden.

Das könnte dazu führen, dass bald nicht mehr 50.000 Menschen mit Down Syndrom unter uns leben, sondern nur noch die wenigen, für die sich die Eltern bewusst entschieden haben. Sie könnten sich dann genötigt sehen zu erklären, weshalb ihr Kind überhaupt auf der Welt ist.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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