Es war überraschend deutlich: Mit einer Niederlage für Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) endete am vergangenen Donnerstag der Vorstoß, alle Bürger zu Organspendern zu machen, es sei denn, sie widersprächen. Mit ihrem Entwurf konnten Spahn und Karl Lauterbach (SPD) nur 292 von 674 Abgeordneten überzeugen, der zweite überfraktionelle Antrag einer erweiterten Zustimmungsregelung, von Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock eingebracht, erhielt 432 Stimmen. Dennoch äußerte sich der Minister am Ende zufrieden, denn es sei gelungen, „dass in jeder Familie, in der Nachbarschaft, auf Arbeit, wo Bürger aufeinandertreffen, über diese Frage gesprochen worden ist“.
Da hat er nicht unrecht, denn mit Unterstützung des nun umzusetzenden Gesetzes werden wir nunmehr ständig an das Thema erinnert, bei Behördengängen etwa oder seitens der Krankenkassen, wo jeder Bundesbürger regelmäßig aufgefordert werden wird, sich in ein neu anzulegendes Organspenderegister eintragen zu lassen. In den Kliniken werden Transplantationsbeauftragte mit weitreichenden Befugnissen akribischer nach potenziellen Organspendern fahnden – soweit es das kaputtgesparte Gesundheitssystem zulässt, denn dort ist man wenig erpicht auf den Aufwand, den eine Transplantation mit sich bringt.
Die Zeit war noch nicht reif in Deutschland für die auf Nützlichkeitsethik gründende Widerspruchsregelung. Vom Tisch ist sie nicht, schon hat die Patientenbeauftragte Claudia Schmidtke (CDU) Wiedervorlage in der kommenden Wahlperiode angekündigt, falls sich am Aufkommen der Organspenden nichts signifikant ändert.
Und Jens Spahn? Wird dem machthungrigen Politiker diese Ohrfeige der Parlamentarier schaden? Voraussichtlich nicht in dem Maße, wie die Entscheidung vermuten lässt. Doch ihm droht ein anderes bioethisches Glatteis. Unter Beschuss steht der Gesundheitsminister schon seit Längerem wegen seiner Anweisung an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Anträge auf Sterbehilfe nicht einzeln zu prüfen, sondern pauschal abzulehnen, was sich aufgrund eines Urteils von 2017 verbietet. Im Februar steht ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sterbehilfe an – und damit die nächste Debatte, in der es um Leben und Tod geht.
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