100 Tage sind eine magische Hürde. Normalerweise wird dieses Maß an Politiker angelegt, deren Regierungsfähigkeit dann auf der Probe steht. In diesem Fall gilt der Realitätstest aber nur einem schnöden Gesetz, selbst wenn an ihm eine Politikerinnen-Existenz hängt: Die Zukunft von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Im Schönreden ist sie geübt, und so wusste sie bei einem Treffen mit den Kassenchefs vergangene Woche ein positives Bild zu zeichnen: Trotz "Anlaufschwierigkeiten" sei sie überrascht, wie schnell die Reform umgesetzt worden sei. Zwar sei das ursprüngliche Ziel - spürbare Beitragssenkungen - noch nicht erreicht, doch insgesamt zeichneten sich Erfolge ab, zum Beispiel seien die Ausgaben für Arzneimittel stark zurückgegangen.
Nun haben sich die Deutschen Ende des vergangenen Jahres noch gut mit Pillen versorgt. Aber davon abgesehen, muss doch die Frage erlaubt sein, woran sich der "Erfolg" einer Reform misst: Signalisieren rückläufige Kosten, dass sich der Gesundheitszustand der Deutschen dramatisch verbessert hat? Bürgt gähnende Leere in einstmals überfüllten Praxen für die Qualität der Reform, oder ist das Gesundheitssystem über Nacht so "transparent" geworden, dass Patienten schlechte medizinische Dienstleister erkennen und sie meiden? Oder versuchen sie einfach nur, eine Praxisgebühr mehr zu sparen und gehen seltener zum Arzt?
Ob die Versicherten das von der Gesundheitsministerin auf den Weg gebrachte Hausarztsystem annehmen werden, ist bislang noch nicht abzusehen, denn die Krankenkassen lassen sich Zeit mit der Umsetzung. Am Bonusprogramm nehmen bislang gerade mal 200.000 Versicherte teil. Und nach hundert Tagen hat sich der Bundesausschuss endlich durchgerungen, eine Indikationenliste für die Verschreibung eigentlich nicht mehr verschreibungsfähiger Medikamente zu erstellen. In bestimmten schweren Fällen dürfen Ärzte den Rezeptblock sogar für homöopathische Mittel zücken, während nur vier Naturheilmittel den Sprung in die Erstattungsfähigkeit geschafft haben. Den Schulmediziner Karl Lauterbach, der für die Reform mit verantwortlich zeichnet und ein erklärter Gegner des alternativen "Hokuspokus" ist, wird´s freuen.
Worauf sich Versicherte einzustellen haben, hat der Chef der Barmer Ersatzkasse, Eckart Fiedler, angekündigt: Seitens der Gesetzlichen Krankenkassen sei in Zukunft nur noch das "schwere Krankheitsrisiko" finanzierbar - was immer das heißen mag. Die Einsparungen, so sie die Versicherten in Form von Beitragssenkungen je erreichen werden, werden jedenfalls nicht ausreichen, um "alles andere" privat abzusichern. Betroffenen sei der obige Probelauf empfohlen: Wenn sie im Lauf von 100 Tagen nicht gestorben sind, leben sie weiter. Wie die Ministerin.
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