Zum x-ten Mal in dieser Tarifrunde: Alle Räder stehen still, wenn die GDL es will. Genervte Pendler. Unternehmer mit Schaum vor dem Mund, weil ihre Güter auf den Schienen liegenbleiben. Die Industrie fürchtet Millionenschäden. Der Standort, man weiß schon.
Deutschland ist ein streikentwöhntes Land. Wer die Zeit der späten sechziger bis achtziger Jahre erlebt hat, erinnert sich an monatelange erbitterte Auseinandersetzungen der Metaller, an Aussperrungen und deren Folgen; an den sich türmenden Abfall am Straßenrand, weil eine starke ÖTV die Müllarbeiter in Bewegung setzte, ihre Arbeit ruhen zu lassen. Seit der Wende hat sich das verändert, aus vielfältigen Gründen.
Doch warum wird der Streik der Lokführer in der Öffentlichkeit viel dramatischer wahrgenommen als die gleichzeitig stattfindenden Warnstreiks des Kita-Personals, denen es um mehr geht als um Prozente und die Anerkennung ihrer Gewerkschaft? Warum ist es selbstverständlich, dass die Bahn mit Ersatzfahrplänen dafür sorgt, dass ein Mindestmaß an Bewegung möglich ist, die Kommunen es aber weitgehend den Eltern überlassen, wo sie ihre Kinder unterbringen?
Der Grund liegt auf der Hand. Die Mobilität ist für den kapitalistischen Kreislauf unabdingbar. Piloten oder Lokführer im Ausstand signalisieren: Hier kommt der Verwertungsprozess des Kapitals ins Stocken. Während aus der Kita keine Rendite zu ziehen ist und man sich beim höchsten Gut, den Kindern, immer sicher sein kann: Irgendjemand wird sich schon um sie kümmern, wenn nicht die bezahlten Care-Arbeiter, dann eben Eltern, Großeltern oder andere. Das ist die Achillesferse des Streiks der Beschäftigten in den staatlichen Kitas. Sie versuchen, den Wert ihrer Tätigkeit ins Bewusstsein zu heben und sind gleichzeitig auf un-entgeltliche Arbeit angewiesen, damit sie guten Gewissens streiken können.
Dabei haben Erzieherinnen und Lokführer einiges gemeinsam. Sie gehören in den Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, der unter den Druck der Verwertungslogik gerät, sei es aufgrund von Ausdünnung, Arbeitsintensivierung oder Qualitätsverschlechterung. Es gibt also durchaus gemeinsame Interessen zwischen den Beschäftigtengruppen und denen, die ihre Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Die gilt es zu organisieren.
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