Schluss mit der „Staatsknete“

Gender In Österreich erhalten feministische Vereine und Bildungsprojekte keine staatlichen Zuschüsse mehr. Die Propaganda der Rechten trägt Früchte
Ausgabe 32/2018
Nicht unterkriegen lassen!
Nicht unterkriegen lassen!

Foto: Markus Heine/Imago

Gender-Mainstreaming? Was ist das denn! Feministische Bildungsarbeit? Überflüssig! Geschlechtersensible Sprache? Bullshit! Die türkisblaue Regierung Österreichs spielt derzeit den Vorreiter, wenn es darum geht, den Feminismus abzuräumen. Ab 2019 erhalten feministische Vereine und Bildungsprojekte keine staatlichen Zuschüsse mehr, selbst die Bäuerinnenvereinigung wird ausgetrocknet. Opfer ist auch die über Österreich hinaus bekannte Zeitschrift anschläge. Ökonomische Gründe hat das nicht, denn viel hat man sich den Feminismus ohnehin nie kosten lassen. Man wolle den Schwerpunkt auf den Gewaltschutz legen, heißt es offiziell.

Die antifeministische Propaganda der Rechten in den USA und in Europa trägt also Früchte und wirkt existenzgefährdend für Projekte, die ohnehin immer unter prekären Bedingungen gearbeitet haben. Was sie an Aufklärung über Geschlechterungleichheit, Bewusstseinsbildung über Geschlechterrollen und Anstößen für Gesetzesinitiativen in die Gesellschaft getragen haben, kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Genau damit sind sie aber auch eine Speerspitze gegen rechtspopulistische Restaurationsfantasien mit ihrer normativen Heterosexualtität und kleinfamilialen Ideologie. „Dem Feminismus den Stecker ziehen“, trommelt auch AfD-Frontfrau Beatrix von Storch zum antifeministischen Kulturkampf.

Aber wäre ein Los-vom-Staat nicht auch eine Chance für den Feminismus? Ist eine staatlich alimentierte „Bewegung“ nicht ohnehin ein Paradox? In der aufblühenden feministischen Projektelandschaft der 1980er, in der „Autonomie“ noch hochgehalten wurde, war „Staatsknete“ einmal eine Gretchenfrage. Wie lange und verbissen haben wir darüber gestritten, ob wir solche Mittel, die wir mit Abhängigkeit und Kontrolle verbanden, in Anspruch nehmen sollen. In Westberlin, wo an solche Pfründe damals eher heranzukommen war als in der Westprovinz, tobte dieser Kampf besonders hart.

Dass Projekte einmal regelhaft finanziert werden und manchmal sogar Haushaltstitel erwerben würden, konnten wir uns damals nicht vorstellen – und dass es heute zwar nicht überall, aber vielfach so ist, muss als Erfolg der Bewegung verbucht werden. Vielleicht ist diese dadurch zahmer geworden, professionalisierter, angepasster. Aber ob sich der radikale Widerstandsgeist wieder entzünden ließe, wenn dem Feminismus die ökonomische Basis entzogen würde, ist eine Überlegung, die wir lieber nicht dem Realitätstest aussetzen sollten.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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