Schwarz und Weiß

Dienstboten-Gesellschaft Warum am Ende doch nicht alle ihre "Putze" kriegen

In der Politik geht es so ähnlich zu wie im Sommer am Oberrhein: Dort stellt man gewöhnlich Versuchspersonen in die Sumpfgebiete und zählt minütlich die Mückenstiche. Kurz vor dem Kollaps zieht man sie dann zurück. Auf die politischen Experimentierfelder dieser Tage haben es Putzfrauen und Sozialsoldaten, neudeutsch: Zivis, gebracht. Den einen neidet der Finanzminister, dass sie brutto für netto arbeiten - seit Jahren übrigens, egal, ob die Frauen aus dem In- oder Ausland kommen, zu ziemlich fixen Stundensätzen - und davon nichts für den Fiskus abfällt; die anderen drohen im Zuge der Struckschen Bundeswehrreform auszusterben und müssen anderweitig und möglichst billig ersetzt werden.

Also, so der Plan, mit dem die Finanzverwaltung die Öffentlichkeit piesackte, sollte auch Putzen im Privathaushalt künftig nach allen Regeln der Schwarzarbeitsbekämpfung geahndet werden. Nicht nur wer schwarz weißputzt und putzen lässt, hätte sich strafbar gemacht, sondern auch wer weiß, dass schwarz geputzt wird, wäre aufgerufen, dem Staat zu seinen Steuer-Euros zu verhelfen. Um das Ganze emanzipatorisch aufzupeppen, forderte die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckart die Green-Card für polnische Putzfrauen (nachdem, wir erinnern uns, die Green Card für polnische Pflegekräfte vor Zweijahresfrist kassiert worden war), um ihnen überhaupt den Weg in die sozialpolitische Legalität der Republik zu öffnen.

Was dem Finanzminister an der Schwarzarbeitsfront die Putzfrauen sind, ist einigen Ministerpräsidenten die Zukunft der jungen Leute, die künftig voraussichtlich sowohl von Wehr- als auch Zivildienstpflicht befreit sein werden. Dass man ihnen, wo Elternhaus und Schule ohnehin versagen, soziale Tugenden in einem sozialen Pflichtjahr näher bringen könnte, gehört zu den soliden Stammtisch-Beständen, die alle paar Jahre zuverlässig und in unterschiedlichen Kontexten wieder hervorgeholt werden. Als neue Angebotsvariante winken den Dienstwilligen diesmal Ausbildungs- und Studiergutscheine.

All das scheint vor Wochenfrist sämtlich wieder vom Tisch geräumt, die Putzfrauen und ihre Auftraggeberinnen sollen vor dem ökonomischen Kollaps bewahrt bleiben, und die jungen Leute ihrer eigenen Lebensplanung überlassen. Schwarz putzen soll, so jedenfalls Justizministerin Brigitte Zypries, weiterhin als Ordnungswidrigkeit gelten, was wie schon Jahrzehnte zuvor auch jetzt wohl von niemandem Ernst genommen werden wird. Und auch der Zwang zu einem sozialen Jahr hängt am (zu) heißen Eisen einer Grundgesetzänderung, als dass sich die zuständigen Minister bislang daran verbrennen möchten.

Doch was lehrt uns die Putz-Posse, die alle Ingredienzien einer Daily Soap aufweist (ein bisschen Krimi, eine Prise Denunziation und viel Sozialkitsch)? Richtig wurde ja in der Putz-Debatte immer wieder darauf hingewiesen, dass Schwarzarbeit erst dann in die Weißzone des Arbeitsmarktes überführt und in Arbeitsplätze für Deutsche umgewidmet werden könne, wenn Beziehern von staatlichen Transferleistungen höhere Zuverdienste eingeräumt würden; sprich: wenn der Finanzmix aus, wenn man so will, Grundeinkommen und (schlecht bezahlter) Lohnarbeit legalisiert werde. Dies allerdings setzte nicht nur voraus, dass Privathaushalte steuerlich wie Unternehmen behandelt würden, sondern auch das Eingeständnis, dass die schlecht qualifizierten Bevölkerungsteile vom offiziellen ersten Arbeitsmarkt ausgeschlossen bleiben und sich im Windschatten der besser Verdienenden im Dienstbotendasein einrichten müssen - als Putze, als Lohndiener oder (vorübergehend) als Sozialdienstleistende. Dabei sind beide Teile aufeinander angewiesen: die Einen, weil sie Geld brauchen, die Anderen, weil sie ihre geringe Freizeit nicht lästigen Arbeiten opfern wollen.

Dieser Prospekt einer mit der Globalisierung einher gehenden und vor nationalen Grenzen nicht Halt machenden Dienstboten-Gesellschaft ist derzeit noch kein allgemein akzeptiertes Modell. Hans Eichel mögen bei seinem Referentenentwurf vor allem finanzpolitische Erwägungen geleitet haben. Doch dieser könnte auch ein mentaler Testlauf verstanden werden, der auslotet, wie weit die Bevölkerung bereit ist, sich von sozialpolitischen Egalitätsvorstellungen zu verabschieden. Denn ein psychologischer Aspekt sollte nicht vergessen werden: Schwarzarbeitende Putzfrauen und Ausputzer - das ist strukturell ähnlich wie bei der Prostitution - leben auch in der Illusion, jederzeit in ein anderes Arbeitsmilieu wechseln zu können. Einmal legalisiert, ist ihr Status offiziell fixiert: Schwarz auf weiß.


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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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