Bilder dirigieren unsere Wahrnehmung. Frau Merkel in einem Paderborner Pflegeheim, wie sie eine über 100-jährige Bewohnerin füttert, prägt sich mit Sicherheit mehr ein als ihre dröge Videobotschaft über die „Helden der Pflege“. Es vermittelt nicht nur Verbindlichkeit, weil sie ein Versprechen eingelöst hat, sondern signalisiert: Ja, wir haben verstanden.
Aber haben sie das wirklich, die Politiker, die sich derzeit sozialpolitisch weit aus dem Fenster hängen, um die bösen Bilder des unwürdigen Regierungszerwürfnisses vergessen zu machen? Arbeitsminister Hubertus Heil strengt sich an: Sein Rentenentwurf ist zumindest das Eingeständnis, dass die sich seit Jahren nach unten drehende Spirale beim Rentenniveau aufgehalten werden muss – 48 Prozent sind die Haltemarke, bei halbwegs stabilen Beitragssätzen. Dazu gibt es Verbesserungen für künftige Erwerbsgeminderte, für Geringverdiener und Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren sind.
All das schützt nicht vor Altersarmut, dafür ist das Level von 48 Prozent für die Vielzahl der potenziell Betroffenen viel zu niedrig. Mit einer auskömmlichen Grundrente für alle haben diese Rentenpläne nichts zu tun. Aber immerhin wird das Mantra privater Vorsorge nun immer verhaltener angestimmt, denn die ins Trudeln geratenden Versicherer sind keine Garantie mehr dafür, dass der Markt alles richten kann. Diesen Part übernimmt, neben der FDP, nun der wirtschaftsliberale Teil der AfD.
In der Pflege ist diese Einsicht noch nicht so weit gediehen. Zwar geht Gesundheitsminister Jens Spahn mit seinem Sofortprogramm Pflege hausieren und scheint mit Heil nun tatsächlich auch das heiße Eisen Flächentarifvertrag in Angriff zu nehmen. Das würde immerhin dazu führen, dass Pflegekräfte nicht nur einheitlich, sondern auch besser bezahlt würden. 3.000 Euro sollten schon drin sein, sagt Spahn, wenig genug, gemessen an der Verantwortungslast von Pflegekräften. Ob die „Einfuhr“ von Arbeitskräften aus dem Kosovo und aus Albanien eine Strategie ist, die Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen gerecht wird, beurteilen Fachleute eher skeptisch.
Derlei Reparaturarbeiten beheben aber nicht die systemischen Fehlsteuerungen. Seit Einführung der Pflegeversicherung hat sich dieses sozialpolitische Terrain, ursprünglich einmal von den Kommunen verantwortet, zu einem lukrativen Markt entwickelt, auf dem auch Großkonzerne investieren. Die sicher sprudelnden Einnahmen laden geradezu dazu ein, die Kapitalschläuche an die Heimhähne zu legen, die Kosten zu drücken, um die Rendite zu sichern. Bei den abhängigen, hilfsbedürftigen Bewohnern muss „Kundenorientierung“ nicht unbedingt großgeschrieben werden, sie und ihre Angehörigen haben keine Lobby. Und solange die Gremien der Selbstverwaltung und die Betreiber ohne jede Kontrolle die Bedingungen des Heimbetriebs auskungeln, wird sich daran auch nichts ändern.
Ein erster und relativ einfacher Schritt wäre es, die Aufsichtsorgane wie den Medizinischen Dienst aus den Krankenkassen herauszulösen und unabhängig – etwa nach dem Vorbild der Verbraucherzentralen – zu organisieren. Ohne durchgreifende Sanktionsmöglichkeiten im Interesse von Bewohnern und Beschäftigten, aber auch im Interesse der Solidargemeinschaft, verpufft die Heimaufsicht wirkungslos. Die anrührenden Bilder von einer fütternden Kanzlerin im Pflegeheim sind wohlfeil.
Kommentare 9
Dann schauen wir uns die 13 bisherigen Jahre der Frau Merkel mla an...
BIP-Wachstum 2005-2018 (nominal): 44%Rentensteigerung 2005-2018 (nominal): 22%Inflation 2005-2018: 22%
Dazu kommen allerdings immer weniger Entgeltpunkte durch:a)Ausfallzeitenb)"verantwortungsbewusste Lohnentwicklung"
Rente: Deutsche starten mit drastisch weniger Versicherungsjahren und Entgeltpunkten
und die für diese Gruppe relevante Inflation dürfte auch um einiges höher ausfallen, als die offiziellen 22%...
»Frau Merkel in einem Paderborner Pflegeheim, wie sie eine über 100-jährige Bewohnerin füttert, prägt sich mit Sicherheit mehr ein als ihre dröge Videobotschaft über die „Helden der Pflege“. Es vermittelt nicht nur Verbindlichkeit, weil sie ein Versprechen eingelöst hat, sondern signalisiert: Ja, wir haben verstanden.«
Die Kanzlerin besucht in Köln eine junge Frau mit Down-Syndrom an deren Arbeitsplatz im Café Querbeet.
Ich empfehle der Autorin, das wunderschöne Foto von der Kümmerin Angela „Merkel in einem Paderborner Pflegeheim“ gut aufzubewahren, könnte es eines Tages doch den Status eines Unikats erlangen. – Im 13. Jahr ihrer Kanzlerschaft scheinen Kanzleramt und Frau Merkel endlich begriffen zu haben, dass zum deutschen Staatswesen auch die Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit gehören, nicht nur Konzernvorstände.
Ich freue mich über solche Fotos, sofern sie nicht nur als PR-Veranstaltung gedacht sind, sondern einen Gesinnungswechsel signalisieren.
Nach 13 Jahren nicht menschenkonformer Demokratie ist diesen Fotos nichts abzugewinnen. Bereits die Haltung dieser Kanzlerin am Tisch zugunsten der Kamera und einer nicht sichtbaren Person u. ihre Körpersprache, "ich gucke mal eben noch an diesem Tisch vorbei", ohne eine Geste menschlicher Verbindlichkeit ist nichts weiter als Politik Agitation. Sich dazuzusetzen kommt ihr offensichtlich nicht einmal in den Sinn.
Am Gespräch ist sie stehend nicht interessiert. Die oder der Pflegeheimbewohner sind nicht einmal des Sehens wert. Wichtig ist, dass Merkel sich zeigt. Sie spricht mit der Gruppe nicht. Ihre Wald- und Wiesensprüche scheint auch niemand zu erwarten.
Mir ist nichts bekannt, wo oder wie sie einmal ihre persönliche Haltung zur Ethik ihres Menschenbildes mitteilte. Pfarrerstochter, Charakterprägung?
Ich möchte hier an dieser Stelle warnen: Zum Mittag füttert sie eine alte Frau und zwei Stunden später ist ihr ein Menschenleben schnurz egal! Unsere Politiker/innen sind alle durch die Bank Heuchler!
Viele Grüße
Letztgenannte Motivation darf bezweifelt werden.
Was die Gesundheitspolitik einschließlich der Pflege in dieser Regierung an Stellenwert besitzt, hat gerade Merkels hierfür zuständiger Minister die Öffentlichkeit wissen lassen. Arztbesuche ohne Termin schweben dem Herrn Minister vor. So, so. Ob dieser Rotzlöffel jemals in einer ganz normalen Hausarztsprechtsunde gesessen und stundenlang auf das dann folgende 5 minütige "Arztgespräch" gewartet hat? Wohl kaum. Arztbesuche ohne Termin wird von niemandem erwartet. Arztbesuche mit einem Termin und einer akzeptablen Wartezeit von zwei Wochen würde vollständig ausreichen. Aber das geht weit über den Horizont dieses gepamperten Politikfuzzis hinaus.
Die schlechtesten Krankenhäuser und Pflegeheime sind die an der Börse notierten! Gewinne zu Lassten der Bewohner und des Personals ohne Tarifverträge.
Gibt es nicht schon an der Börse notierte Ärztegemeinschaften? Dann sind im Internet die Praxenterminkalender einsehbar, man schreibt sich dazu und alles ist gut!
"Ich freue mich über solche Fotos, sofern sie nicht nur als PR-Veranstaltung gedacht sind, sondern einen Gesinnungswechsel signalisieren." Ich weiß nicht, ob solche Fotos wirklich einen Gesinnungswechsel, wie Sie schreiben, signalisieren oder vielmehr angestoßen werden von einer Generation, die in den sechziger, siebziger Jahren zu kämpfen gelernt hat und nun erlebt, wie die eigenen Eltern ins Pflegeheim kommen (und demnächst sie selbst). Was ich damit sagen will, ist, dass ich durchaus eine Umpolung der Politik beobachte, die aber eher extrinsisch als intrinsisch ist.
@Flegel vor 7 Tagen: "Ich freue mich über solche Fotos, sofern sie nicht nur als PR-Veranstaltung gedacht sind, sondern einen Gesinnungswechsel signalisieren."
Wenn dahinter tatsächlich ein "Gesinnungswandel" stehen würde, müssten dann nicht auch (politische) Taten folgen, die die Situation tatsächlich verbessern? Wo sind diese Taten?
Nur zur Erinnerung: Bei der sogenannten Bankenkrise wurden von "Mutti" Merkel und ihrer neoliberal-konservativen Regierung innerhalb weniger Tage Milliardenbeträge in dreistelliger Höhe aus dem Hut gezaubert und den sogenannten "notleidenden" Banken ganz tief in den Arsch geschoben und das nur, weil sich sogenannte "Spitzenbanker" beim Zocken an den Finanzmärkten verspekuliert haben.
Irngendeine Hofberichterstatterin in einem TV-Sender moderierte die oben geanannte Stippvisite von Frau Merkel übrigens treffenderweise mit den Worten an (sinngemäß): Die Bundeskanzlerin gehört zu denen, die ihre Wahlversprechen einlösen.
Offenkundig bestand das Wahlversprechen darin, ein Altenheim zu besuchen und nicht darin, etwas an der Situation zu verbessern. Wenn "Mutti" Merkel etwas daran verbessern wollte, wozu hat sie dann Jens Spahn in ihr Kabinett berufen, einen neoliberalen Hardliner?
Fassen wir zusammen: Derlei Bilder dienen leider nur dazu, der Öffentlichkeit vorzugauckeln, unsere neoliberal-konservative Regierung würde etwas gegen Alterarmut und für die Pflegebedürftigen tun.
Notleidende alte Menschen sind aber keine "notleidenden" Banken. Daran hat sich bei Lichte betrachtet überhaupt nichts geändert. Notleidende alte Menschen gehen "Mutti" am Arsch vorbei, so lange die Alten ihren Mund halten und sich wie die Schafe zur Schlachtbank führen lassen.