Eine Woche, bevor der erste nationale Pandemie-Impfplan seine Tauglichkeit beweisen soll, droht weniger ein medizinischer als ein politischer Super-Gau. Denn nachdem durchgesickert ist, dass die Bundesregierung für die höchsten Repräsentanten, Diener und Verteidiger des Staates den Impfstoff Celvapan der Firma Baxter bestellt hat, während die übrige Bevölkerung mit Pandemrix (GlaxoSmithKline) durchgeimpft werden soll, ist – trotz eines offiziellen Dementis – der Skandal perfekt. Die Kritik an der von der neuen Bundesregierung absehbar noch beförderten „Zweiklassenmedizin“ hätte kein sinnfälligeres Symbol finden können.
Der Unterschied besteht im Mix: Der Baxter-Impfstoff ist besser verträglich, weil er nicht mit Konservierungsmitteln und Wirkstoffverstärkern versehen wird. In Pandemrix dagegen wird das notwendige Antigen „gestreckt“ und die Wirkung künstlich hergestellt. Die WHO hatte schon vor Monaten mit Zusatzstoffen versetzte Seren empfohlen, um genügend Impfdosen verfügbar zu haben, jedoch gewarnt, sie an Schwangere zu verabreichen. In den USA und in Australien wird mit dem verträglicheren Celvapan geimpft.
Einmal abgesehen von der Chuzpe, mit der sich die Staatdiener hier bevorzugt versorgen, lässt der Skandal vergessen, dass die ganze Impfaktion ohnehin umstritten ist. Experten weisen immer wieder darauf hin, dass der Aufwand möglicherweise in keinem Verhältnis zum Effekt steht.
Zum anderen ist aber auch die Haltung der empörten Öffentlichkeit fragwürdig, weil sie selbstverständlich davon ausgeht, zum privilegierten Teil der Weltbevölkerung zu gehören, dem zusteht, bestmöglich versorgt zu werden. Dass die nördliche Hemisphäre auch in diesem Fall alle Ressourcen für sich beansprucht, während für die ärmeren Teile der Welt – wenn überhaupt – höchstens nebenwirkungsreiche Medikamente wie Tamiflu zur Verfügung stehen, entgeht dem verengten Blick der erregten Volksseele.
Eine Wirkung hat der Impftrouble schon jetzt: Einer Umfrage zufolge wollen sich überhaupt nur noch zwölf Prozent der Deutschen impfen lassen. Ob das ein medizinischer GAU ist, bleibt abzuwarten; ein ökonomischer für Gesundheitskassen und Staat wäre es allemal.
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