Berlin zahlt Prämie für Mutterschaft. Müttergeld in Frankreich. Teufelsaustreibung in Klingenberg. Drei Jahrzehnte haben diese Schlagzeilen überdauert, auf vergilbtem Papier, zwischen noch erstaunlich leuchtenden Umschlägen, vergessen in den stabilen Bananenkisten, in denen man einst sein Hab und Gut standesgemäß bewegte. Wer hätte sich damals schon träumen lassen, dass eine christdemokratische Kanzlerin dreißig Jahre später ein als "Elterngeld" firmierendes Müttergeld auf den Weg bringen oder die Teufelsaustreibung in Klingenberg einmal als Vorlage für einen preisverdächtigen Film taugen würde? Und wer erinnert sich noch daran, dass Alice Schwarzer, heutzutage Altfeministin mit Alleinvertretungsanspruch, einmal eine ziemlich ruppige Konkurrenz von links hatte, die Rechenschaft von ihr forderte über ihre "Vermarktung der Frauenbewegung" und ihr "rücksichtsloses Verhalten gegenüber Frauen" in Finanzdingen?
Als die Frauenbewegung noch Courage hatte, nötigte sie zu solchen Stellungnahmen in einem Blatt namens Courage, das, zumindest in Berlin, zu einer Legende geworden ist. Im Juni 1976 stellten zehn Frauen ohne Startkapital, doch mit viel Enthusiasmus und Überzeugungskraft die Nullnummer vor, der acht Jahre lang, Monat für Monat, eine weitere mit diesem Mut machenden Titel folgen sollte. Tabuisierte Themen und eine andere Art, damit umzugehen, wurde darin versprochen; Spontaneität, Authentizität und Offenheit für alle, die an diesem Prozess teilhaben wollten. Eine neue Form von nicht-exklusiver Frauenöffentlichkeit also. Courage war keineswegs die erste feministische Gazette der Bundesrepublik, doch sie wirkte wie ein Fanal. Was die kurz darauf gegründete Emma für die Hausfrau in der Provinz, war die Courage für die linksradikale oder -alternative Großstädterin - was von den damaligen Leserinnen durchaus kritisch wahrgenommen wurde. Courage war ein Bewegungsblatt, das mit zeitweise 70.000 verkauften Exemplaren einen beachtlichen Resonanzraum hatte.
So viel Anfang war nie! Das zumindest war der Eindruck, der sich am Wochenende einstellte, als sich die mittlerweile in die Jahre gekommenen Courage-Frauen anlässlich des 30-jährigen Jubiläums zu einem "Klassentreffen" versammelten. Während die Republik im nationalsportlichen Wir-Wahn taumelte, spürten die einstmals autonomen Macherinnen und ihre Sympathisantinnen ausgerechnet in der Friedrich-Ebert-Stiftung einem ganz anderen Wir nach, aufgeblitzt in einem flüchtigen Moment, Funken sprühend, selbstverliebt, omnipotent und bereit, die ganze Welt aus dem Angeln zu heben.
Da erzählt Barbara Duden dann vom Entsetzen ihrer Mutter, als Courage ihr das erste Mal den Blick durch ein Spekulum aufnötigte; Sibylle Plogstedt erinnert daran, dass das Blatt als erste über oppositionelle Frauen in Osteuropa berichtete; und Christel Dormagen, die "Gedichteverwalterin" unter den damaligen Redakteurinnen, wundert sich noch im Rückblick über die Flut "authentischer" Gedichte aus dem "weiblichen Alltag", die ihr tagtäglich auf den Schreibtisch flatterten - und an die bemerkenswerte "Diskrepanz zwischen Wollen und Können" und ihre Skrupel, ein solches Werk abzulehnen.
Dass diese Form feministischer Öffentlichkeit bei aller Kreativität nur einige kurze Sommer der Anarchie erlebte, da sind sich die Macherinnen heute einig, hatte genau damit zu tun: Die publizistische Selbsterziehung und -befreiung stieß dort an ihre Grenzen, wo einerseits unprofessionelle Peinlichkeiten auf einen unnachsichtigen Markt trafen und andererseits die "blinden" Flecken der Bewegung - vom Umgang mit der deutschen Vergangenheit bis hin zum Umgang mit den "Schwestern", die nicht ins mittelschichtig-deutsche radikalfeministische Projekt einzugemeinden waren - immer deutlicher zutage traten. Der Professionalisierungsdruck ging einher mit dem Zwang, sich für eine mehr oder (meist) minder bürgerliche Existenz zu entscheiden.
An dieser Stelle hätte das "Veteraninnentreffen" den Blick nach hinten kappen sollen und vordenken können, was frau denn nun zu halten hat von den gegenwärtigen Formen weiblich unterwanderter Öffentlichkeit, die Deutungsverwalter wie Frank Schirrmacher in Alarmbereitschaft versetzen. Ist Christiansen ein Erfolg der Bewegung? Zwar sind es in der Regel nicht die couragierten Frauen aus den siebziger und achtziger Jahren, die heute durch die verteilungspolitischen Gesprächsrunden führen; aber wie das Mikrofon zu erobern ist, haben sie doch vorgemacht. Es war damals eben leicht, die erste zu sein.
Dieser Zauber hat sich verbraucht. Die Einheit ist dahin. Und Courage als Gegenmodell männlich-bürgerlicher Öffentlichkeit höchstens noch ein Gegenstand nostalgischer Reminiszenz. Viel Trauer in der letzten Gesprächsrunde, in die nur hie und da ein Stachel gesetzt und statt "Altersradikalität" der "Lernschmerz" gepflegt wurde. Vom großen Wir zum kleinen Ich, das in einer völlig veränderten Welt überleben muss und lediglich, wenn überhaupt, als Gedächtnisinstanz aufgerufen wird. Den dominierenden Historikerinnen allerdings ist auch die Einsicht zu verdanken, dass nichts bleibt und die jüngeren Frauen hinwegfegen, was für die Älteren sakrosankt ist.
Das sollte weniger beunruhigen als die Tatsache, dass die Themen, die Courage couragiert aufnahm, eben überhaupt nicht erledigt sind. Gewalt gegen Frauen war ein Schwerpunkt des zweiten, Frauenarbeitslosigkeit des vierten Heftes im ersten Erscheinungsjahr. Und weil das mittlerweile so sterbenslangweilig geworden ist, berichten Medien heute lieber über das angebliche Tabuthema "schlagende Frauen". Mit den drögen sozialen Verwerfungen befassen sich die, die in den Medien eine Nische gefunden haben: "Wir machen jetzt halt die Sozialthemen", sagt Magdalena Kemper vom "gesund" geschrumpften rbb-Frauenmagazin Zeitpunkte im Vorbeigehen. Statt im kleinen Kreis alte Kämpfe noch einmal mit auszufechten, hätte man gerne mehr über die heutigen Bedingungen weiblicher Öffentlichkeit diskutiert.
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