Stereotypen stinken

Frauensache Raus aus der rosa Glitzerwelt, ran ans Maschinengewehr?
Stereotypen stinken

Illustration: Der Freitag

Alle Jahre wieder weihnachtet es sehr, und in Spielzeugkatalogen herrscht Prinzessin Lillifee in einer rosaroten Glitzerwelt, Mädchen wiegen Puppen und die Jungs bereiten sich währenddessen auf ihre heroische Männerzukunft vor. Auch dieses Jahr alles wie gehabt?

In Schweden geht die größte Spielzeug-Kette Top Toy nun in die Offensive: Der gerade erschienene Weihnachtskatalog präsentiert kleine Jungen, die liebevoll eine Babypuppe im Arm halten und ein Mädchen, das gefährlich mit einer Maschinenpistole hantiert. Ihr rosa T-Shirt wurde ausgetauscht gegen ein hellblaues. Weil die Lillifee-Puppenstube im Sortiment aber nicht fehlen darf, sitzt nun ein – übrigens nur mäßig glücklich dreinblickender – kleiner Junge vor ihr.

Ein gegenderter Spielzeugkatalog

Mit dem Change reagiert das Spielzeug-Unternehmen auf die in Schweden angestoßene Diskussion über geschlechtsspezifische Rollenbilder. Schon 2008 war Top Toy von der schwedischen Werbeaufsicht für seine gender-stereotype Reklame kritisiert worden. Zur gleichen Zeit hatte die Regierung 110 Millionen Kronen (rund 13 Mio. Euro) bereitgestellt, um vor allem in Schulen für dieses Thema zu sensibilisieren.

Der gegenderte Top Toy-Katalog wird allerdings nur in Schweden vertrieben; das ansonsten druckgleiche Pendant erscheint in Dänemark mit den üblichen stereotypen Fotos.

Platter Rollentausch

Was aber wäre gewonnen, wenn Jungen nun mit spindeldürren Prinzessinnen spielen und Mädchen in der Gegend herumballern? Ganz abgesehen davon, dass das Angebot zumindest im ersten Fall nicht sonderlich gut ankommen dürfte, handelt es sich um nichts weiter als einen platten Rollentausch.

Sexismus schlägt sich aber nicht nur in den Rollenklischees der Kataloge nieder, sondern im Spielzeug selbst: Während die sanften dünnen Lillifees und Barbies der juvenilen Essstörung den Weg bereiten und den Jungen vorführen, welche Maße ihr „Girlie“ einmal haben soll, bahnt das martialische Jungenspielzeug den Weg in den Krieg. Stimmt schon, den gehen nun ja auch die Frauen. Herrje, wir waren wirklich schon einmal weiter!

In Großbritannien hat die Pinkstinks-Kampagne, die den rosa Glitter aus den Kinderzimmern vertreiben will, immerhin dafür gesorgt, das etwa Marks & Spencer einige Spielzeugprodukte aus dem Sortiment nehmen musste. Bei uns zieht Pinkstinks Germany mit entsprechenden Forderungen an den Werberat nach.

In Schweden allerdings rollt die Diskussion schon wieder zurück. Anlässlich des 2012 erschienen Kinderbuches Kivi und der Monsterhund, in dem statt „han“ und „hon“ das geschlechtsneutrale „hen“ eingeführt wird, warnen Kritiker nun, dass es auch wichtig sei, eine stabile Geschlechtsidentität auszubilden. Tatsächlich?

Ulrike Baureithel hat früher auf einer Kindernähmaschine ohne Unterfaden genäht und den Jungen von nebenan beneidet, der einen Ballonroller hatte

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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