Viele öffentlichen Plätze und Stadien, erleben wir dieser Tage, sind auch Schauplätze der politischen Aktion. Wo diese Orte früher missbraucht wurden, um die Massen aufzuhetzen oder zusammenzutreiben wie in den lateinamerikanischen Stadien die desaparecidos, erobern sich die Menschen nun überall die Agora zurück.
Es war also auch eine symbolische Geste, dass Papst Franziskus im kleinen Stadion von Lampedusa, diesem Eiland zwischen Europa und Afrika, seinen Gottesdienst ausrichtete. Für die Flüchtlinge aus den Bürgerkriegsregionen ist diese Insel ein Ort der Hoffnung und Tragik zugleich. Von einem aus Rudern gefertigten Pult herab erinnerte der bibeltreue Pontifex an die ertrunkenen Unglücklichen, an die Verantwortung der Wohlstandsgesellschaft und geißelte ihre Gleichgültigkeit gegenüber den Schreien „des Bruders“, die über das Meer hallen.
1.500 Flüchtlinge kommen jedes Jahr über das Mittelmeer ins Gelobte Land, wo sie um Asyl bitten und um bescheidene Existenz. Wie viele gar nicht anlanden, weil sie mit maroden Booten unterwegs sind oder in Seenot geraten, ist nicht bekannt. Der alttestamentarische Exodus war mit einer Heilsgeschichte verbunden; der neuzeitliche verweist auf eine Enttäuschungsgeschichte: Der sich bedroht wähnende Bruder stellt sich taub.
Er erinnert sich nicht mehr daran, dass Europa einmal Schauplatz von Völkerwanderungen war. Dass der „fremde Gast“ einer war, der bleibt und in dessen ekstatischer Fremdheit man sich selbst erkennen konnte. Später dann ist der Fremde der „Rivale vom anderen Ufer“, wie der Philosoph Blaise Pascal sagte. Einer auf der Schwelle, dem man Gastfreundschaft verweigert und den man auf abgelegenen Inseln interniert und manchmal auch in Stadien.
Es ist kein Ruhmesblatt für die Zivilgesellschaft, dass sie einen gar nicht ins 21. Jahrhundert passenden „Papa“ benötigt, um den Fremden nicht nur als Feind zu erkennen. Der Vatikan ist aber auch viel zu klein, um alle aufzunehmen. Und er machte oft, auch daran sei erinnert, keinen Unterschied zwischen Unterdrückten und flüchtenden Mördern.
Kommentare 21
Liebe Ulrike Baureithel, mit dem letzten Absatz Ihres Artikels ziehen Sie die bemerkenswerte Geste des Papstes leicht ins Lächerliche. Es geht hier nicht um einen staatlichen, sondern einen moralischen Akt. Die "Globalisierung der Gleichgültigkeit", vor der der Papst warnt, ist die Kehrseite unserer medialen Möglichkeiten, die Ungleichzeitigkeiten dieser Welt gleichzeitig wahrzunehmen. Der Papst erinnert an die Bedeutung solidarischen Handelns. Wer tut das noch ausser ihm? Von denen, die im Rahmenlicht der Weltöffentlichkeit stehen, sind das nur ganz wenige.
Mit einer solchen Geste werden die problematischen Seiten der katholischen Kirche gewiss nicht ausgelöscht, aber sie zeigt auch, dass sich die Geschichte des Christentums nicht auf diese Seiten reduzieren lässt.
Der Papst kann doch mal die führenden Köpfe der ganzen Parteien, die sich christlich nennen, in den Vatikan einladen und ins Gebet nehmen und sie dann an die zehn Gebote erinnern. Vielleicht hören sie ja auf ihn.
Nachtrag: Oder er kann diesen Parteien gleich den Teufel austreiben, wo er doch anscheinend das gern tut.
Wenn Sie die Kirchengeschichte nicht gut genug kennen, wäre es doch sinnvoll, Sie würden sich zuvor sachkundig machen.
Wir reden im Westen gerne über Menschenrechte, doch die Festung Europa, die uns vor dem Ansturm der Massen aus der "Dritten Welt" retten soll, beruht immer noch auf dem Konsens einer Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen Europas. Kritik daran ist notwendig, und wenn ein Papst dies kritisiert - umso besser!
Liebe Frau Baureithel,
ich schätze Sie sehr als Journalistin. Ihre klare Kante gefällt mir.
Nichtsdestotrotz finde ich es komisch, dass Sie Religion stets auf die Amtsträger der obersten Hierarchie reduzieren, um dann in schon gewohnter Weise, in Ihr Credo einzustimmen, von der Obsoletheit der Religion, in dem Fall vom Papst.
Die katholische Kirche respektiert und akzeptiert Atheismus. Und ganz ehrlich seh' ich keinen Grund, dass Kirche sich zurückhalten sollte, wenn es um die Welt geht.
Manchmal scheint es mir, Sie starren zu sehr nach oben und verlieren den Blick für die da unten- die Mehrheit. Die Kirche jedoch ist die Gemeinschaft aller Kirchenmitglieder. Und ihre Tradition ist komplexer als Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen.
LG am
PS Leute, verschont mich mit den Litaneien über die Verfehlungen der Kirche. Die kenne und benenne ich auch! Danke.
Woher wissen Sie, dass "der Fanz" eine gutmütige Vaterfigur ist? Sind Sie mit ihm verwandt?
Es betrübt mich gar nicht mehr, mit welchem Selbstbewusstsein, Leute über Dinge reden , von denen sie weder Ahnung haben noch Bereitschaft erkennen lassen, sich darüber kundigt zu machen.
Es ist einfach intolerant und dumm.
@Anne Mohnen
"Die katholische Kirche respektiert und akzeptiert Atheismus. Und ganz ehrlich seh' ich keinen Grund, dass Kirche sich zurückhalten sollte, wenn es um die Welt geht."
Woraus schließen Sie darauf? Warum tut er das nicht mit Überzeugung?
Ich glaube das erst, wenn er, die RKK, die Menschrechte anerkennt, auch das, auf eine soziale politische Menschenrechtsordnung! U. a. schreiben die Menschenrecht auch das Recht der Religionsfreiheit fest. Und ich bin erst überzeugt, wenn er den Feldzug gegen den Kommunismus nicht mehr tatkräftig unterstützt, wie seine Vorgänger.
@Seifert
Es handelte sich aber nicht um einen "moralischen Akt", eher um eine moralische Rhetorik, die die eigene religiöse "Globalisierung der Gleichgültigkeit" nicht einschloss. Zur Theologie der Befreiung hat er auch auf Lampedusa offensichtlich nichts gesagt. (?) Wann u. wo, wenn nicht dort, wird er davon sprechen und entsprechend global handeln? Zwischen solidarischem Reden und solidarischem Handeln liegen Welten.
Der Papst selbst reduziert die Geschichte der RKK auf die eigene Unbeweglichkeit. Er hätte die Gelegenheit nutzen können, mit Politikern ins Gespräch zu kommen. Statt dessen waren Politiker ausrücklich nicht zugelassen. Warum?
Franziskus wird so nicht zu einem biblischen Widder mutieren!
Er zieht seine eigene Show ab. Bis jetzt nicht mehr.
Ein rhetorischer Akt kann durchaus ein moralischer Akt sein, wenn die Sprache, die er verwendet, in Einklang mit gelebten Überzeugungen steht. Und dies scheint beim Papst aus Argentinien der Fall zu sein. Sein Handeln ist vorwiegend ein symbolisches - doch genau die Symbolpolitik ist das "Kerngeschäft der katholischen Kirche", wie Kaspar Surber heute in einem Kommentar der linken Schweizer Wochenzeitung festhält. Und er schreibt weiter: "Die kirchlichen Verbündeten in den Solidaritätsnetzen, ohne die es in der Schweiz schon lange keine Asylbewegung mehr geben würde, können sich von diesen Worten (Anm.: des Papstes) bestärkt fühlen." Ich weiss nicht, ob Gleiches für Deutschland gilt, doch ich vermute, dass das christlich motivierte Engagement zur Unterstützung von Flüchtlingen und Asylsuchenden auch hier von entscheidender Bedeutung ist.
In der sogenannten Freitag-Community kommt eine Religionsfeindschaft zum Ausdruck, über deren Ausmass ich immer wieder erstaunt bin. In einem seiner letzten Interviews erklärte der Spiegel-Herausgeber Josef Augstein vor mehr als zehn Jahren sinngemäss, die Kritik am Papsttum sei das, was die Linke noch eine. Mir scheint es ein Ausdruck von Denkfaulheit zu sein, in Fragen von Kirche und Glauben nicht differenzieren zu können, sondern ungehindert seine Ressentiments verbreiten zu wollen.
Pardon, in der päpstlichen Community, was heißt s.g., kommt mir aber eine Übereinstimmung mit seinem "Handeln" nicht entgegen, weil ich kein Handeln erkennen kann. Und in seinen Reden kein konkreter Hinweis auf ein beabsichtigtes Handeln vorkommt. Rote Schuhe oder Wanderschuhe sind nicht das, was ich unter Handeln verstehe. Wo bleibt der Ansatz zu einer gemeinsamen politischen Forderung aller Religionen zugunsten der Menschen, die Rom bei anderer Gelegenheit, z. B. der Homosexualität vor der UN umstandslos zeigte, ebenso wie bei anderen religiösen Forderungen. Die Zustimmung zu den Menschenrechten, wenn angeblich andererseits von der Anerkennung anderer Religionen gesprochen werden soll? Was hat es mit der Denkfaulheit der Kritiker zu tun, wenn der Papst nicht in der Lage ist, den Unterschied zwischen Humanitas/Barmherzigkeit und Humanismus/MenschenRECHT überzeugend zu erklären. Ist das nicht eine differenzierte Frage? Wird Franziskus im Zusammenhang mit der "armen" Kirche für Arme den CIC 1983 berichtigen und das "angeborene Recht der RKK auf Vermögensbildung" zu streichen und das "angeborene Recht auf die Würde des Menschen" als einklagbares Gut anerkennen und auch im CIC 1983 festschreiben?
Ich weiche dem Kern Ihrer Argumentation nicht aus - ich kann ihn bloss nicht genau erkennen. Gut, der Papst handelt symbolisch ("kostet nichts", meinen Sie). Er segnet und betet, doch Europa "blockt". Was soll der Papst tun? Seine Divisionen losschicken, um die Mauern rund um Europa zu Fall zu bringen?! Schon Stalin wusste, dass der Papst über solche Divisionen nicht verfügt. Bleibt also bloss das Wort - ein hoffentlich aufklärerisches. "Globalisierung der Gleichgültigkeit" ist für meine Ohren ein solches. Es kann allerdings nur dann Wirkung zeigen, wenn es Resonanz findet - bei mir, bei Ihnen, bei vielen anderen. Darauf kommt es an, und dazu können wir etwas beitragen.
Dass der Vergleich mit dem Telefonbuch dumm ist, werden Sie bestimmt selbst bemerkt haben. Würde dieser Papst in seinem Kämmerchen sitzen, hätte dies nicht die gleiche Wirkung wie sein Besuch auf Lampedusa.
Wenn Sie für Menschenrechte eintreten, wie Sie schreiben - weshalb begrüssen Sie dann nicht den neuen Papst als Bündnispartner, zumindest in der Frage des Rechts auf Asyl?! Die Seelen der rund 20'000 Menschen, die in den vergangenen 30 Jahren auf der Flucht nach Europa ihr Leben verloren haben, schreien doch zum Himmel! Nicht einmal das Erbarmen mit ihrem Schicksal scheint in Europa mehrheitsfähig zu sein - geschweige denn die Solidarität! Weshalb wollen Sie nicht sehen, dass dieser Akt des Papstes ein bedeutsamer ist, der sich ganz klar von den Akten seines Vorgängers (jener mit den "roten Schuhen", die Ihnen offenbar so ins Auge gestochen haben) unterscheidet?
Wissen Sie, mir geht es um das Recht der Menschen und nicht um imaginäre Seelen und imaginäres Gerede. Ich habe ganz konkrete Erwartungen und zähle mich nicht zu den "Einfältigen", die sich belehren lassen müssen.
Ich halte es auch für ein Menschenrecht, in dem Land, in dem man geboren ist, ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Dafür haben sich die Priester der "Theologie der Befreiung" eingesetzt und wurden von der RKK nicht nur im Stich gelassen. Auch von dem heutigen Papst!
Ich trete selbstverständlich für das Asylrecht ein, möchte unbedingt wissen, vor welchen Karren sich der Papst spannen läßt. Das Menschenrecht auf Asyl hat er nicht formuliert! Dann hätte er es jedem Politiker ins Gesicht sagen können, der dort auch erschienen wäre. DAS wäre in meinen Augen ein Akt der Tat gewesen. Dafür hätte er meine Zustimmung aus vollem Herzen.
Bis jetzt ist es das Gerede von Solidarität der "Akt" fehlt, damit daraus Sozialität wird. Die 20.000 Menschen, die ihr Leben auf der Flucht verloren haben, gehen auf das Konto vorwiegend christlicher Politiker, die nach rechts u. links sortieren, bevor sie sich für die Menschen entscheiden. Wir sehen es auch gerade jetzt: Eine christliche Großmacht USA gegen einen Menschen und immer noch verantwortlich für ein faschistisches Guantanamo! Da hat der Papst noch viele Möglichkeiten seines Tuns, für die er meine volle Zustimmung erwarten kann.
"Woraus schließen Sie darauf? Warum tut er das nicht mit Überzeugung?"
Ich schließe da gar nichts. Das steht in den Schriften zum Vatikanum II.
Erneut schießen Sie sich hier ein Eigentor. Während Sie Ihre Vorurteile pfleg(t)en, reiste nicht nur der Papst, immerhin das Oberhaupt von über 1,8 Milliarden Katholiken nach Lampedusa, sondern katholische und ökumenische Publikationsorgane berichten permanent in Reportagen, in Interviews, Artikeln etc. von der Festung Europa: Malta, Lampedusa, Lesbos. Das sind gestandene Journalistinnen/en wie Chrissi Wilkens, Thomas Seiterich, Andreas Boueke u.a., die sich nichts am heimischen Schreibtisch ausdenken müssen, sondern die Realität vor Ort zur Kenntnis nehmen. Allein an den theologischen Fakultäten in Deutschland sitzen scharfe Kapitalismuskritiker, die neben harter sachkompetenter Analyse auch Alternativen andenken. Ich erwarte nicht, dass Sie dies wissen, jedoch könnten Sie den Ball etwas flacher halten.
Schauen Sie nur einmal ins Inhaltsverzeichnis/Stichwortverzeichnis von publik-forum.de Ansonsten entschuldigen Sie bitte, dass ich Ihre Antworten nicht mehr ernst nehmen kann.
Frau Merkel ar vor kurzem da, und es hat nichts gebracht. ;)
Respektieren und akzeptieren des Atheismus kann die RKK schlicht nicht verneinen! Das heißt alles und nichts. Und die Anerkennung der Menschenrechte steht bestimmt nicht in Schriften zum Vatikanum II. Oder wo kann man eine solche Entscheidung lesen? Und wenn ja, warum unterschreibt der Vatikanstaat die Charta nicht?
Man kann den Leuten das Lesen leider nicht abnehmen.
!! http://www.vaticanhistory.de/wordpress/?tag=uno
http://www.radiovaticana.va/tedesco/newsted.htm Text: de.radiovaticana.va/storico/2012/10/03/vatikan_mahnt_uno_zur_einheit_in_der_syrienfrage/ted-626532
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2008/april/documents/hf_ben-xvi_spe_20080418_un-visit_ge.html
http://www.fides.org/de/news/24639-VATIKAN_Papst_Benedikt_XVI_empfaengt_den_Praesidenten_Burundis_und_die_Ministerpraesidentin_von_Bangladesch_in_Audienz_bei_den_Gespraechen_betont_er_die_Bedeutung_des_Dialogs_und_der_Achtung_der_Menschenrechte_sowie_den_Beitrag_der_Kirche_zur_menschlichen_Entwicklung#.Ud942G0vbRg
Worauf sich die Kritik bezieht, kann ich nur vermuten. Ich nehme auf die Nichtratifizierung der UN-Menschenrechtskonvention. Der Vatikan hat bei der UN nur Beobachterstatus. (s. Text oben „UN Chef lädt Papst nach New York ein“). Zuletzt betonte Benedict XVI, dessen Fan ich wieß Gott nicht bin, dass die Menschenrechte "göttlichen Ursprungs seien".
Ich meine die UN-Menschenrechtscharta. Der Vatikan vertreibt auch seine Religion nicht nur in Europa, sondern seit ewigen Zeiten weltweit. Und unterstützt weltweit in seiner Solidarität mit den Machthabern Menschenverachtung! Bis hin zur seelsorgerischen Betreuung des Atombomber-Piloten.
Ich denke in dem Punkt sind wir einer Meinung, dass dies in der Schöpfungsgeschichte mit "macht Euch die Erde Untertan" nicht gemeint sein konnte. Wohl auch eher nicht die kriminellen, ungebremsten Energie-Schürfrechte der Energiemafia. Das ist Krieg gegen die Schöpfung. Wo nur bleiben die Religionen, auf welcher Seite machen sie mit?
Der Vatikan lehnt eine Vollmitgliedschaft in der UNO aber ab, weil er bei Abstimmungen zu Entscheidungen verantwortlich Position beziehen müßte.
Er lehnte die Unterschrift zur Ächtung der Todesstrafe für Homosexuelle Menschen ab, in Übereinstimmung mit dem islamistischen Gesandten! Akzeptanz u. Respekt für diese Menschen?
Ob Franziskus diese Blamage korrigiert, wenn er der Einladung folgt?
Vatikan-Quellen sind nicht die Quellen der Wahrheit.
Hm, das liegt vielleicht daran, dass Frau Bundeskanzler evangelisch ist. Die kann immer sagen: Der papst ist Katholik, auf den muss ich nicht hören ...