Vernunft statt Moralpredigten

Prostitution Es gibt kein Recht des Mannes auf käuflichen Sex. Aber auch kein Recht des Staates, den Frauen zu verbieten, diese Dienste anzubieten. Wir brauchen keine Moralapostel
Ausgabe 49/2013

Frankreich hat sie schon, Deutschland bekommt sie nicht: die Flatrate-Strafe für den käuflichen Sex. 1.500 Euro, beschloss die Nationalversammlung vergangene Woche, sollen französische Freier künftig zahlen, wenn sie die Dienste einer Prostituierten in Anspruch nehmen. In Deutschland dagegen sollen Frauen „nur“ vor Menschenhandel und Zwangsprostitution geschützt werden, außerdem droht dem Flatrate-Sex und den Bordellgroßunternehmen das Aus. Wer „wissentlich und willentlich die Zwangslage von Opfern ausnützt“, heißt es im Koalitionsvertrag, und „diese zu sexuellen Handlungen missbraucht“, muss mit einer Geldstrafe rechnen.

Gut gemeint, sagen Prostituierte, aber wie soll ein Freier entscheiden, ob die gemietete Dame sich in einer Zwangslage befindet? Sollen die Frauen künftig Unbedenklichkeitserklärungen unterschreiben? Und welcher Staatsanwalt will im Ernstfall nachweisen, was ein Mann hätte wissen können oder wissen müssen?

Andererseits ist es zu begrüßen, dass sich die Koalitionspartner den Forderungen mancher Frauenbeschützer nach verschärften Maßnahmen entzogen haben. Das hat möglicherweise ganz unedle Gründe. Das Statistische Bundesamt schätzt, dass im Sexgeschäft jährlich 14,3 Milliarden Euro umgesetzt werden, davon profitiert wie beim Glücksspiel auch der Staat.

Vielleicht war es aber auch die Einsicht, dass Armutsprostitution nicht durch Totalverbot zu bekämpfen ist. Das Beispiel Schweden zeigt, wohin es führt, wenn Frauen in den Untergrund getrieben werden: Dort sind sie ihren Freiern weit mehr ausgeliefert und von Gewaltverbrechen bedroht. Wenn man schon die Bedingungen in den Herkunftsländern nicht kurzfristig ändern kann, wäre es hierzulande zumindest möglich, das Arbeitsverbot für Flüchtlinge aufzuheben. Damit hätten die betroffenen Frauen eine Erwerbsalternative.

Davon abgesehen: Es gibt kein Recht des Mannes auf käuflichen Sex. Aber ebenso wenig hat der Staat das Recht, Frauen zu verbieten, derartige Dienste anzubieten. Und am allerwenigsten brauchen wir neue Moralapostel, die uns ihre Normen über erwünschten Sex aufdrücken.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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