Mit einer Veranstaltungsreihe zum Thema „Decolonized Worlds“ ging das diesjährige Internationale Literaturfestival (ilb) in Berlin an den Start und hatte schon vor dem Anpfiff einen Aufreger zu bewältigen. Noch bevor die aus Simbabwe stammende Schriftstellerin Petina Gappah das Lesefest überhaupt eröffnen konnte, wurde sie – und so auch der Veranstalter – von der Süddeutschen Zeitung heftig angegangen, weil diese, bis vor wenigen Tagen noch „enge Beraterin“ von Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa war, „einem Mann, der für Millionen Menschen im südlichen Afrika ein übler Diktator ist.“ So schreibt der Südafrika-Korrespondent Bernd Dörries.
Pikant scheint Dörries die Angelegenheit, weil Gappah zum einen gerade mit ihrem bei Fischer erschienen Roman Aus der Dunkelheit strahlendes Licht die koloniale Vergangenheit Simbabwes aus Sicht der Schwarzen zu erhellen versucht, zum anderen, weil sich das ilb „den Menschenrechten verpflichtet sieht“ und Schriftsteller und Künstler aus Deutschland sonst „sehr genau unter die Lupe“ nimmt. Offenbar hat sich Dörries auch darüber geärgert, dass Gappah ein Interview abgesagt hat, nachdem sie erfuhr, worüber es handeln sollte, nämlich ihre inkriminierte Beraterinnentätigkeit, für die sie als ehemalige renommierte Handelsjuristin in Genf ausgewiesen ist.
Der Festivalleiter, Ulrich Schreiber, hielt den Ball flach, der Verlag wollte „sich ein Bild“ machen. Ein Bild konnte man sich bereits mittels eines Artikels machen, der am 23. August in der Zimbabwe Mail erschienen ist und vom Rückzug Gappahs von ihrem Posten als externer – und nicht, wie behauptet, enger – Beraterin der Manangagwa-Regierung handelt. Sie habe diese Aufgabe in der festen Absicht angetreten, ihr Land nach der Ära Mugabe mit ihren Mitteln zu unterstützen. Sie musste jedoch einsehen, dass die Verhältnisse in Simbabwe schwierig seien und ihre Aufgabe unerfüllbar. Für die Herrschenden im Land, die sich nur an den Fleischtöpfen bedienen wollten, seien Reformen das Letzte, was sie haben wollten, schreibt sie als Begründung, nach 18 Monaten ihren Job hinzuschmeißen. Noch deutlicher wurde sie kürzlich in einem Interview im britischen Guardian.
Doch auf diese Weise vor Beginn des Literaturfestes angeschossen, fühlte sich Gappah offenbar in der Pflicht. Sie schrieb ihre Rede über die vergessenen Opfer des Kolonialismus um und ergänzte sie mit einer Einlassung: Sie habe eben nicht nur über die Veränderungen in Simbabwe schreiben wollen (wie in ihrer brillanten Erzählungssammlung Rotten Row von 2016), sondern zur Veränderung auch aktiv beitragen. „Ich möchte in einem Simbabwe leben, das fair und gerecht ist, Menschenrechte und Gleichheit respektiert und integrativ ist.“
Aus dieser Rede zitiert auch Paul Ingendaay in der FAZ, als er den Vorwurf des Kollegen Dörries, Gappah mache „gute Miene für den Diktator“ aufnimmt und noch einmal verschärft, wobei er nicht nur Gappah, sondern auch noch Gabriele von Arnim abwatscht, die in deren Werk eingeführt hatte. Er kritisiert Gappah dafür, „auf ihrer deutschen Buchtournee aus Furcht vor Missverständnissen, aber auch vor Anfeindungen im eigenen Land nur von Literatur, nicht von Politik sprechen“ zu wollen. Mittelpunkt des Textes ist aber ein Zitat aus der Rede Gappahs, in dem es um ihren Wunsch geht, Simbabwes Präsident möge Gelegenheit haben „für Nachdenken und Selbstreflexion“, sodass er „über die Versuchungen der Macht hinausblickt (...)“. Blöd nur, dass sich diese von ihm so genannte „Fürbitte“ für Mnangagwa zwar in der übersetzten Handreichung findet, die Passage nach Erinnerung von Veranstaltungsgästen von Gappah aber gar nicht vorgetragen wurde. Was hier schlimmer ist, die männliche oder die neokoloniale Arroganz des Urteils, sei dahingestellt, aber wie man weiß, gehört beides zusammen. „Basierend auf diesem Bericht“, kommentiert eine Leserin in der FAZ, „kann ich die Autorin (Gappah) verstehen.“
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