Der Ethiker Peter Singer
Der Australier Peter Singer will für alle das Beste. Doch das geht nicht ohne Widersprüche. Der 67-jährige Vegetarier ist Utilitarist, Popstar der Tierschutzbewegung und unterstützt trotzdem unter Umständen Tierversuche. Das ist für ihn eine Abwägung. Ist das Leid eines Tieres geringer als der Nutzen, unterstützt er die Tötung. Kritiker werfen ihm vor, man könne Leid aufrechnen. Singer beirrt das nicht.
Mit seinem Buch Animal Liberation legte er 1975 den Grundstein für die Tierschutzbewegung. Darin kritisiert er, dass Tiere diskriminiert werden, weil sie einer anderen Spezies angehören. Das sei kein Stück besser als Rassendiskriminierung unter Menschen. Seine Stiftung „Great Ape Project“ fordert von den Vereinten Nationen, Großaffen wie Schimpansen, Bonobos, Gorillas und Orang-Utans menschliche Grundrechte zu garantieren: das Recht auf Leben, der Schutz der individuellen Freiheit und das Verbot der Folter.
Immer mehr Tierversuche
In den deutschen Forschungslabors wurden im Jahr 2012 mehr als drei Millionen Tiere getötet, durchschnittlich rund 8.500 pro Tag. Geforscht wird hier größtenteils an Mäusen und Ratten. Aber auch Hunde, Katzen und Affen werden zu Versuchszwecken getötet. Einige Wissenschaftler und Tierrechtsorganisationen kritisieren, dass Tierversuche moralisch nicht zu vertreten, häufig überflüssig und schlecht konzipiert seien. Die Europäische Union verbot im März dieses Jahres immerhin, dass Kosmetikprodukte an Tieren getestet werden. Was als Erfolg für den Tierschutz gilt, hat sich die Industrie teuer abkaufen lassen: Im Gegenzug fördert die EU nun alternative Versuchsmethoden der Konzerne mit dreistelligen Millionensummen.
In Deutschland gibt es seit 1989 die „Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch“, kurz ZEBET. Dort sollen nach dem sogenannten 3R-Prinzip Tierversuche durch andere Verfahren ersetzt (Replace), das Leiden der Tiere verringert (Refine) und die Anzahl der Tierversuche reduziert werden (Reduce). Trotzdem ist die Zahl der getöteten Tiere seit dem Jahr 2003 um jährlich rund 100.000 gestiegen.
Unser Tierschutzgesetz
Das klingt nach Mittelalter: Schenkelbrand, Verstümmelung, Kastration. Seit 1987 regelt das deutsche Tierschutzgesetz genau, welche dieser Maßnahmen Menschen an Tieren verrichten dürfen. Grundsätzlich gilt: Kein Tier darf „ohne vernünftigen Grund“ getötet werden. Aber bei dieser Frage gehen die Meinungen zwischen der Agrarindustrie und Tierschützern weit auseinander.
Das Landwirtschaftsministerium in NRW hat gerade verboten, sogenannte Eintagsküken zu töten. Bislang ist es Geflügel-Mastbetrieben erlaubt, die für sie wertlosen, männlichen Küken zu töten. 2012 waren das deutschlandweit rund 46,6 Millionen Küken. Insgesamt gilt, dass sich die Situation der Tiere seit Einführung des Tierschutzgesetzes nur unwesentlich gebessert hat.
PETA, ALF und andere Organisationen
Die Videos der weltgrößten Tierrechtsorganisation PETA sind schwer zu ertragen. Sie zeigen halb verhungerte Hunde, Hühner, die sich in winzigen Käfigen verletzen, oder Kühe, die bei lebendigem Leibe gehäutet werden. Organisationen wie PETA, der Deutsche Tierschutzbund oder die Animal Liberation Front (ALF) unterscheiden sich allerdings grundlegend. PETA setzt auf Meinungsbildung. In ihren Kampagnen fordert sie den Verzicht auf die Nutzung von Tieren zu jeglichem Zweck. Niemand solle Lederwaren tragen, Tierversuche sollen verboten werden, und alle Menschen sollten vegan leben.
So weit würde der Deutsche Tierschutzbund nicht gehen. Er fordert von der Politik schärfere Tierschutzgesetze. Vor allem aber betreibt der Dachverband deutschlandweit mehr als 500 Tierheime. Die ALF, die in den siebziger Jahren in Großbritannien gegründet wurde, ist im Untergrund tätig. Sie hat keine festen Strukturen und ist bekannt für Einbrüche in Tierversuchslabors und Massentierhaltungsbetriebe. Ein FBI-Bericht aus dem Jahr 2002 bezeichnete die Mitglieder der Animal Liberation Front als „Öko-Terroristen“.
Die ForscherinJane Goodall
Ein Kuscheltier motivierte Jane Goodall, die berühmteste Primatenforscherin aller Zeiten zu werden. Nachdem ihr Vater ihr einen Stoffschimpansen geschenkt hatte, entdeckte die heute 79-jährige Britin ihre Leidenschaft für Affen. Sie zog im Alter von 23 Jahren nach Tansania, um dort Schimpansen zu untersuchen. Sie fand heraus, dass sie Werkzeuge benutzen, keine Vegetarier sind und gewalttätiger als angenommen. Im Gegensatz zu anderen Forschern gab sie ihren Untersuchungsobjekten Namen anstelle von Nummern. Zum Beispiel Goliath, Fifi und David.
Kritiker bemängeln, dass das die nötige Objektivität Goodalls beeinträchtigt habe. Trotzdem gelten ihre Forschungsergebnisse weitgehend als Grundlage dessen, was wir über das Sozialverhalten von Menschenaffen wissen. Das National Institute of Health reduzierte die Zahl der Menschenaffen bei Tierversuchen auf ihr Drängen drastisch. Stattdessen wird nun an Mäusen geforscht.
Umstrittene Chimären
Chimären sind Lebewesen, die Zellen oder Organe anderer Lebewesen in sich tragen. Einerseits handelt es sich um Tiermodelle, die hergestellt werden, um Krankheiten zu erforschen: die Krebsmaus etwa oder Affen, denen menschliche Stammzellen ins Gehirn eingepflanzt werden, um Demenz zu erforschen. Umgekehrt sind Menschen, denen tierische Organe übertragen werden (Xenotransplantation), streng genommen ebenfalls Chimären.
Das Embryonenschutzgesetz verbietet in §7 die Vermischung von menschlichen und tierischen Keimzellen; die in der Stammzellforschung übliche Herstellung von Cybriden, also tierische Eizellen, in die der Zellkern einer anderen Art eingebaut wird, dagegen nicht.
Der Status von Tier-Chimären ist in der Ethikdebatte umstritten und hängt davon ab, ob bei ihrer Beurteilung der Mensch der zentrale Bezugspunkt der Bewertung ist. Integrierte man sie in ein abgestuftes Würdekonzept, wäre ihre Instrumentalisierung für die Forschung problematisch.
Dieser Text ist Teil des Wochenthemas. Lesen Sie dazu auch "Wir Tiere"
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