Wow, so sieht das also aus, sagt Carolin Emcke, als sie anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels das Podium in der Paulskirche besteigt. Wow, so sieht das also aus, wenn am Ursprung der bürgerlichen Demokratie in Deutschland eine bekennende Lesbe geehrt wird und eine ausgewiesene feministische Philosophin deren Verdienste rühmt und sich herausnehmen darf, die Mächtigen der Welt nicht nur am Megafon auf der Straße anzuprangern, sondern diesmal auch aus der Mitte heraus.
Die Preisträgerin und ihre Laudatorin, die aus Istanbul stammende und in Yale lehrende Seyla Benhabib, bemühen dabei ganz selbstverständlich die Schrauben und Schlüssel aus den poststrukturalistischen und dekonstruktivistischen Werkzeugkästen, eingeübt in abgeschirmten Seminarzirkeln. Sie geißeln ausgrenzende Identitätspolitiken, die Dogmen der Homogenität und der Reinheit und feiern das Erlösungsversprechen des Erzählens. Während Benhabib einen Kurswechsel im internationalen Flüchtlingsregime anmahnt und an die Verbrechen des weißen Patriarchats im Namen der Humanität erinnert, fordert Emcke ein, was Brecht eingreifendes Handeln genannt hat gegenüber jenen, die als das „Andere“ als nicht zugehörig definiert und ausgegrenzt werden.
Fast rührt es schon zu erleben, wie diese erfahrungsgesättigten theoretischen Besitzstände aus den Enklaven der Bewegung eingewandert sind in den hegemonialen Diskurs der Zivilgesellschaft. Wie sich die Gutwilligen in der Paulskirche anrühren lassen von der begabten Wortsetzerin, die sich stemmt gegen jene, die „die rassistischen Muster und Bilder“ liefern und „hassen lassen“. Dass die mit dem Kopftuch verbundenen Zuschreibungen denen mehr bedeuten, die das Tuch ablehnen, als jenen, die es tragen, haben Frauen, Homosexuelle, Nichtchristen oder Nichtweiße in anderen Kontexten schmerzhaft erfahren müssen.
Deshalb ist die publizistische Häme, die sich nachträglich über die einverständige Gemeinschaft in der Paulskirche ergossen hat, billig. Auch Emcke dürfte nicht entgehen, dass sie dazu neigt, das, was sie angreift, das rassistische, homophobe und hassende Kollektiv, als homogene Gruppe vorzustellen. Schwerer wiegt, dass der Hass, über den sie schreibt, bei ihr eine Affektlage bleibt und die eingeforderte Gegenpraxis reiner Willensakt, mit dem sich Verhältnisse ändern lassen. Das nennt man gemeinhin idealistisch – und dieser Idealismus geht Hand in Hand mit der Adelung des Wortes, für die die Paulskirche nach allen gescheiterten revolutionären Willensakten heute steht.
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